Karbener LiteraturTreff e.V.
Bericht vom Literaturabend, 24. Oktober 2019:
"Literatur trifft Saxophon"
Ort: KUHtelier, Groß Karben, im Schlosshof von Leonhardi
Zeit: 19:30 - 22:00 Uhr
Anwesende: ca. 46 Personen und Pressevertreter
Am 24. Oktober 2019, veranstaltete der Karbener LiteraturTreff einen besonderen
Literaturabend unter der Überschrift "Literatur trifft Saxophon". Der
Vereinsvorsitzende Dieter Körber gestaltete als Solist, kongenial begleitet mit
Gesang von Nicola Piesch, einen fulminanten Leseabend.
Körber begrüßte die Gäste und musste gleich zu Anfang von einer Misslichkeit
berichten. Die im Titel versprochene Begegnung mit dem Saxophon konnte nicht
stattfinden, denn die Musikerin Nicola Piesch hatte sich am Abend zuvor bei
einem Sturz den Ellenbogen gebrochen und trug den Arm in Gips. Ihre schöne
Stimme war jedoch unversehrt und trotz starker Schmerzen trat sie an. Dieter
Wierz sprang als Pianist hilfreich ein und die beiden äußerst begabten Musiker
konnten mit den stimmungsvollen Gesangseinlagen das Saxophon schnell vergessen lassen.
Dieter Körber "Schauspieler und Germanist", wie die regionale Presse schreibt,
zeigte eine reiche Palette seiner Sprechkunst und die beiden Künstler Nicola
Piesch und Dieter Wierz begeisterten mit Gesang und Klavierspiel. Piesch und
Körber teilten die Moderation unter sich auf und führten durchs Programm.
Nach dem der glanz- und wundervoll interpretierte Song "Autumn leaves" ver
klungen war, las Körber die Kurzgeschichte von Daniel Kehlmann "Pyr", Kehlmann
der am 13. Januar 1975 in München geboren wurde wuchs in Wien auf und studierte
dort Philosophie und Literaturwissenschaft.
Im Alter von 22 Jahren, veröffentlichte Kehlmann seinen ersten Roman. 2005
gelang ihm der internationale Durchbruch als Schriftsteller mit seinem Roman
"Die Vermessung der Welt". Über Kehlmann schrieb Ijoma Mangold in der
Süddeutschen Zeitung "Die größte Begabung der jüngeren deutschen Literatur."
"Daniel Kehlmann kann erzählen, und zwar vorzüglich, er ist intelligent, und
zwar außerordentlich, er hat Phantasie, und zwar eine ungewöhnliche." schrieb
Marcel Reich-Ranicki in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
Die Kurzgeschichte "Pyr" hat Daniel Kehlmann 1998 erstmals veröffentlicht und
2009 nochmals überarbeitete und neu herausgegeben.
Der Protagonist der Erzählung verehrt die Kraft des Feuers. Er glaubt durch
Brandstiftung die verbrennenden Dinge und Häuser durch Feuer zu veredeln. Die
Bezeichnung Pyromane hält er, auf Leute wie ihn angewandt, für eine Verleumdung.
Er berichtet freimütig aus seinem ereignisreichen Leben. Ich bin ihr Albtraum
bekennt der Ich-Erzähler stolz. Körber liest den von durchgehend "Schwarzem Humor"
getragenen Text äußerst überzeugend und die Eindrücke der Besucher dürften zwischen
Amüsement und Beklemmung gewechselt haben.
Körber wurde mit befreiendem Beifall belohnt. Die folgende Musikeinlage der beiden
Künstler Piesch und Wierz begeisterten die Gäste ebenso.
Es folgte eine Kurzgeschichte von Wolfgang Borchert. Der deutsche Schriftsteller
kam am 20. Mai 1921 in Hamburg Eppendorf zur Welt, leider wurde er nur 26 Jahre
alt. Sein kurzes Leben war gekennzeichnet von Krieg und Krankheit. Seine
Gegnerschaft gegenüber dem Naziregie brachten ihm mehre Gefängnisstrafen.
Nach dem Krieg konnte sich Wolfgang Borchert von seinen schweren Krankheiten
nicht erholen. Schwere Erlebnisse in den Kriegsjahren bewirkten, dass Krieg zum
Hauptthema seines literarischen Schaffens wurde.
Bald bettlägerig konzentrierte er sich immer mehr aufs Schreiben, wechselte von
der Lyrik zur Prosa und schrieb fürs Theater. Er schrieb im Wettlauf mit dem Tod
und wusste es. Seine Nachkriegs-Werke gelten als die bekanntesten der so genannten
"Trümmerliteratur". Er verstarb in einer Basler Klinik einen Tag vor der äußerst
erfolgreichen Uraufführung seines Werkes "Draußen vor der Tür" in den Hamburger
Kammerspielen mit der Intendantin Ida Ehre. Umso mehr dürfte es Körber gereizt
haben die heitere mit leichter Hand geschriebene Kurzgeschichte "Schischyphusch
oder der Kellner meines Onkels" zu interpretieren.
In dieser humorvollen aber auch mit leiser Wehmut ausgestatteten Kurzgeschichte
stehen sich zwei mit zu kurzer Zunge Geschlagene gegenüber aber mit welchem
Unterschied der Persönlichkeiten. Eine humorige Betrachtung zum Selbstbewusstsein.
Hier einmal der selbstbewusste groß gewachsene Onkel, laut und dominant. Dort der
kleine gedrückte und verzagte Kellner. Beide slickzungig und jeder von ihnen
glaubte sein Gegenüber wollte ihn verspotten.
Es klärt sich auf, beide sind slickzungig und keiner veralbert den anderen und
so kommt es zur großen Versöhnung. Bei der Lesung dieser Geschichte zeigt Körber
bei der wörtlichen Rede der beiden Hauptfiguren eine wahre Sprechakrobatik, wenn
er slickzungig spricht. Der rauschende Beifall ist verdient. Mit wohlklingendem
Gesang der brillanten Nicola Piesch geht es in die Pause.
Im zweiten Teil des Abends steht die "Dramatische Etüde, Schwanengesang" von
Anton Tschechow auf dem Programm.
Anton Pawlowitsch Tschechow wurde am 29. Januar 1860 in Taganrog, Russland geboren.
Bekannt ist er heute durch seine unübertroffenen Kurzprosa und er trug maßgeblich
zur Formung der modernen Novelle und Kurzgeschichten bei. Bis heute gilt er als
bekanntester Dramatiker nach Shakespeare. Er studierte in Moskau Medizin. Nach
Beendigung seines Studiums war Tschechow nur kurze Zeit als Arzt tätig und wechselte
schnell zum Schreiben über. Insbesondere für Arme und Kranke setzte sich Tschechow
besonders ein und stiftete mehrere Schulen. 1904 verstarb er an einer schlimmen
Lungentuberkulose während eines Kuraufenthalts in Badenweiler.
Aus "Kalchas", einer Kurzgeschichte, die am 10. November 1886 in der Peterburgskaja
Gaseta erschien, setzte Tschechow Anfang Januar 1887 seinen Einakter "Schwanengesang"
in Szene. Dieses Stück, 1901 unter dem Titel "Das Schwanenlied des Komikers" übersetzt,
kam im Tschechow-Jahr 1960 auf die deutsche Bühne.
In der in einem Akt geschriebenen "Dramatischen Etüde" "Schwanengesang" blickt ein
alt gewordener Schauspieler zurück auf sein Bühnenleben und zieht Bilanz und
Rollenträume werden noch einmal wach. Nach seiner Benefizvorstellung hat er
gemeinsam mit den Schauspielkolleginnen und Kollegen den Erfolg gefeiert und
ein wenig zu viel getrunken.
Er ist hinter der Bühne eingeschlafen, die Kollegenschar hat vergessen ihn zu
wecken und jetzt wacht er allein im nächtlichen Theater auf. Er trifft den im
Theater nächtigenden Souffleur und reflektiert mit diesem sein Leben. Er spielt
dem Souffleur Versatzstücke aus seinen einstigen Rollen vor. Hier lässt Dieter
Körber den Protagonisten lebendig werden und zeigt einmal mehr sein großes
schauspielerisches Talent. Beim facettenreichen Lesen zieht Körber alle Register
seiner gestalterischen Sprechkunst. Der Abend endet mit anhaltendem, stürmischen
Applaus, den die drei Künstler wahrlich verdient haben.
Barbara Metz