Literaturforum Karben e.V.
Bericht vom Literaturabend, am 01. Oktober 2020:
"Meer und Seefahrt. Sehnsucht nach der Ferne, Symbolkraft des Meeres und die Themenbildung in der Literatur"
Ort: KUHtelier im Schlosshof von Leonhardi, Groß-Karben
Zeit: 19:30 - 22: 05 Uhr
Anwesende: 36 Personen (nach Corona-Regeln)
Mit rundum gelungenem, anspruchsvollem Literaturabend hat das Literaturforum
Karben e.V. seine Sommerpause beendet. Der Titel "Meer und Seefahrt. Sehnsucht
nach der Ferne, Symbolkraft des Meeres und die Themenbildung in der Literatur"
hat für eine voll besetzte Veranstaltung gesorgt und war zugleich auch Programm
bestimmend.
Nach der Begrüßung der Gäste durch den ersten Vorsitzenden Dieter Körber eröffneten
Nicola Piesch Gesang und Dieter Wierz begleitend am Klavier mit Franz Schuberts
stimmungsvollem Lied Meeresstille das Abendprogramm.
Zur Einführung ins literarische Thema des Abends trug der Schatzmeister des Vereins,
Hans Kärcher, Fritz Böhners weit gefassten Einführungstext vor. Er berichtet vom
Meer als größtes zusammenhängendes Ökosystem der Welt und betont, dass die das
Festland umgebende Wassermasse rund 70 % der Erdoberfläche bedeckt und an manchen
Orten mehr als 10 km in die Tiefe reicht. Wie Fritz Böhner weiter ausführt, ist
das Meer der Lebensraum für viele Hunderte von Arten - vom kleinsten Sandwurm über
die Kopffüßler bis zu den Haien und Walen. Die Weite, Größe und Tiefe des Meeres
haben den Menschen offenbar schon seit Urzeiten stark beeindruckt. So wurde es
für ihn zu einem Ort der Sehnsucht und Geheimnis, Symbol der Ewigkeit und der
Zeitlosigkeit. So Hans Kärcher mit Böhners Text.
Die Weite des Meeres lockte und lockt noch immer den Entdeckergeist der Menschen
das Wissenwollen, was ist hinter dem Horizont. Sehr früh in der Geschichte sind
die Menschen mit Flößen, Barken und Segelschiffen aufgebrochen, um das Meer zu
erkunden. Die symbolische Funktion des Meeres wirkt bis in die moderne Autorenliteratur fort.
Das Meer gilt auch als Symbol des Weiblichen, der Regression und des Zyklus von
Geburt und Tod. Es steht neben dem Wasser an sich, als Symbol des Ursprungs, des
Lebens und des Todes.
Der erkrankte Fritz Böhner zeichnete auch für die Idee und Gestaltung des
Abends verantwortlich.
Karin Schrey die zweite Vorsitzende des Vereins übernahm gemeinsam mit Hans Kärcher
die Moderation des Programms. Gut gelaunt und gekonnt führten die beiden durch den Abend.
Den literarischen Teil eröffnete Dieter Körber gewohnt professionell mit einer
Besprechung und Auszügen aus der Odyssee von Homer. Homers Werk kennzeichne den
Beginn der Europäischen Literatur. Vor gut 2800 Jahren entstand eine der ältesten
Seefahrergeschichten: die "Odyssee" ein Epos des griechischen Dichters Homer.
Homers Epos "Odyssee" gehört zu den ältesten, wichtigsten und größten Erzählungen
der Weltliteratur. Sie wurde zum Synonym für eine lange Irrfahrt. Homer ein
angeblich blinder Dichter, von dem wir heute fast nichts wissen, schenkte uns
diese gewaltige Abenteuererzählung. Odysseus der Protagonist des Epos ist
Herrscher von Ithaka, nach dem siegreichen Krieg gegen Troja will er in seine
Heimat zurückkehren, doch gekränkte Götter lassen ihn noch eine ziemlich lange Weile übers Meer irren.
Für die Götter ist Odysseus der klügste der Menschen und der Leser erlebt ihn als
den "Listenreichen". Homer verleiht ihm psychologische Tiefe und zeigt ihn als
Krieger und Seefahrer, aber auch als eloquenten Gesprächspartner und gewinnende
Persönlichkeit. Die Odyssee bildet durch zwei parallel laufende Handlungsstränge,
den Einsatz von Rückschau und Erzählrahmen sowie den einzigartigen Sprachstil ein
stilistisches Meisterwerk, welches auch noch heutige Leser durchaus fesselt, wie Körber ausführt.
Nach der schweren Kost sorgten Piesch und Wierz mit dem eingängig dargebotenen
Song "What shall we do with" für Entspannung.
Engagiert und eindrucksvoll stellte Karin Schrey vergleichend die beiden Romane
und ihre Protagonisten vor: Die beiden Abenteuerromane des 19. Jahrhunderts,
"Das abenteuerliche Leben des Horatio Hornblower" und "Die Schatzinsel", stellen
zwei grundverschiedene Lebensentwürfe einander gegenüber, die jedoch eins gemeinsam
haben: Der Lebensraum beider Protagonisten ist das Meer.
C. S. Foresters "Horatio Hornblower" ist ein seekranker Seeheld, ein junger Mann,
dessen Laufbahn C. S. Forester vom Fähnrich zur See bis zum Admiral des Königs
beschreibt. Er ist ein fiktiver Offizier der englischen Marine zu Zeiten Napoleons
und der Schlacht von Trafalgar. Er ist die Hauptfigur einer Serie von 12 Novellen,
geschrieben zwischen 1938 und 1966 in England und mehrfach verfilmt. Die Novellen
haben vielfältige Bezüge zu literarischen Vorbildern wie Hamlet, Lord Nelson u. Ä.
Robert Louis Stevenson, der Autor der "Schatzinsel", war der Erste, der auf der
Grundlage von historischen Fakten einen Abenteuerroman im Piratenmilieu schrieb.
Long John Silver ist ein Pirat aus der Schatzinsel, geschrieben von Robert Louis
Stevenson im Jahr 1883 in Schottland. Seine Charakterisierung der Bande um den
einbeinigen Long John Silver, blutrünstige, abgefeimte Verbrecher, roh und pfiffig,
verschlagen und brutal, prägt bis heute unsere Vorstellung von Piraten.
Die Schatzinsel ist in ihrer weltweiten Wirkung vergleichbar mit Büchern wie Robinson
Crusoe, Tom Sawyer oder Alice in Wunderland.
Mit dem stimmungsvoll gesungenen "I am sailing" leiten Nicola Piesch und
Dieter Wierz
über zu Ernest Hemingways "Der alte Mann und das Meer".
Barbara Metz lässt den Kampf des glücklosen Fischers mit dem ungewöhnlich großen
Fisch, einem Marlin, auf eine einmalig eindringliche, spannungsgeladene Weise
lebendig werden. Barbara Metz betonte, dass Hemingways letztes vollendetes Werk
ein Triumph über seine Kritiker war, die ihn nach einigen Misserfolgen schon für
literarisch tot erklärt hatten. Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit wollte
Hemingway erkennen und zeigen. Daher sollte die Prosa, um die er sich kämpfend
bemühte, knapp und karg, herb und hart und spröde sein. Fast schien es als wolle
er das Unkünstlerische und das Unliterarische schaffen. Aber was sich bei ihm so
unliterarisch gerierte, war eben doch Literatur, es war Kunst - nur von ganz anderer,
von neuer Art. Die sofort um sich greifende Begeisterung für
"Der alte Mann und das Meer" war in den Jahren nach dem Erscheinen 1952 so groß,
dass das Buch sogar in der Begründung für den Literaturnobelpreis erwähnt wurde,
den Hemingway zwei Jahre später, 1954, erhielt.
Mit dem zu Herzen gehenden Song "La mer" wurden die Besucher in die Pause geleitet.
Den zweiten Teil leitete Helmut Regenfuß ein mit Bert Brechts "Ballade von den Seeräubern",
die er mit Temperament und Engagement vorträgt. In dieser Ballade von den Seeräubern
kommen des Dichters Vorstellung eines wilden und ungezügelten Piratenlebens, ohne
Recht und ohne Moral zum Ausdruck.
Mit "la Paloma" schaffen Nicola Piesch und Dieter Wierz einen gelungenen
Übergang zu Heinrich Bölls "Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral".
Gelesen mit trockenem Humor vom Schatzmeister Hans Kärcher. Ein übereifriger
Tourist will einen in seinem Fischerboot dösenden Fischer zu mehr Aktivitäten
überreden. Er schwärmt ihm vor, dass er, wenn er sein Geschäft ausweiten würde und
Leute anstelle und mehr Boote fahren lasse endlich sich ausruhen könnte und vor
sich hinträumen, der verblüffte Fischer antwortet ihm, aber das mache ich ja schon.
Mit erkennbarer Begeisterung für die Sache stellt Karin Schrey den Roman vor des
Kanadischen Autors Yann Martel "Schiffbruch mit Tiger". Schiffbruch mit Tiger ist
der deutsche Titel des Buches Life of Pi (Das Leben des Pi) von dem kanadischen
Schriftsteller Yann Martel. Es erschien 2001. Obwohl der Stoff zunächst als
unverfilmbar galt, wurde das Buch 2012 verfilmt und vielfach preisgekrönt,
darunter allein mit vier Oscars ausgezeichnet. Der sympathische Darsteller des
erwachsenen Pi ist vor wenigen Monaten im Alter von 53 Jahren gestorben. Die
deutsche Übersetzung erschien 2003 im S. Fischer Verlag und stand anschließend
eine Woche auf Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste. Es behandelt die Geschichte
des Jungen Pi Molitor Patel, der einen Schiffbruch und anschließend eine mehrmonatige
Odyssee auf einem Floß überlebt - zusammen mit einem bengalischen Tiger. -
Kann das sein? Ist das wahr? Und wer erzählt diese Geschichte? Der Junge, der sie
erlebt zu haben vorgibt -oder der desillusionierte Autor, dem der erwachsene
Pi seine Geschichte erzählt?
Auch hier passend zum Roman der Musiktitel "Ein Schiff wird kommen".
Hans Kärcher widmet sich sodann eingängig und mit Verve Bodo Kirchhoffs
"Einladung zu einer Kreuzfahrt". 2017 las der Frankfurter Schriftsteller Bodo
Kirchhof im KUHtelier aus seiner Novelle "Widerfahrnis". Wie alle anderen Zuhörer
auch war unser Schatzmeister Hans Kärcher von der Lesekunst Bodo Kirchhofs sehr
beeindruckt. Er befasste sich daraufhin näher mit dem Werk des Schriftstellers.
Besonders angetan hatte es ihm dabei die Erzählung: "Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt".
In ihr setzt sich Bodo Kirchhof ironisch mit dem modernen Massentourismus auseinander.
Aktuell ist die Erzählung insbesondere auch durch die Überlegungen des Dichters
zu den Auswirkungen des Ausbruchs einer Seuche auf einem Kreuzfahrtschiff. Bei
ihm sind es allerdings keine Viren, sondern Bakterien, die die Seuche verursachen.
Hans Kärcher lässt noch das Gedicht von Mascha Kaleko "Die Liebe und das Meer"
folgen, das ihm der abwesende Fritz Böhner ans Herz gelegt hatte.
Zum Ausklang wird das Publikum noch einmal verzaubert mit den Klängen von
"Sail along silvry moon" gespielt mit dem Saxophon von Nicola Piesch und
am Klavier Dieter Wierz, der mit seiner schönen Bassstimme den Refrain intoniert.
Mit Dank an die Vortragenden, Wein und Blumen an die Musiker und guten Wünschen
für die Besucher beschließt Dieter Körber den hoch interessanten Literaturabend.
Am 29. Oktober folgt der nächste Literaturabend
"Italien. Land der Dichtung".
Leider wieder nur mit Voranmeldung, mit Vor- und Zuname, Postanschrift und Telefonverbindung.
Angemeldet werden kann mit E-Mail: mail@dkoerber.de oder per Telefon 06034- 50 99 282
Das weitere Jahresprogramm setzt sich fort mit dem Programmabend am 11. November,
die Lesung mit Andreas Maier.
Er liest aus dem Roman "Die Familie".
Die Lesung mit Andreas Maier findet ausnahmsweise im großen Saal des
Bürgerzentrums Karben statt (Corona bedingt).
Der Eintritt beträgt Euro 15,00, für Mitglieder Euro 12,00!
Kartenvorverkauf bei der Karbener Buchhandlung, Luisenthaler Straße 3-5,
61184 Karben, eventuell auch Abendkasse
Am 26. November folgt - wieder im KUHtelier - der Literaturabend
"Friedrich Hölderlin. Die Stimme aus dem Turm" der Geburtstag des großen Lyrikers
jährt sich zum zweihundertfünfzigsten Mal.
Zum Jahresausklang am 10. Dezember schließlich im KUHtelier "Literatur trifft Saxophon.
Die letzten Tage der Menschheit", [Karl Kraus] gelesen von Dieter Körber am
Saxophon begleitet von Nicola Piesch.
Dieter Körber