Karbener LiteraturTreff e.V.
Tag: 29.10.2014
Thema: Schreibende Frauen
Ort: KUHtelier
Zeit: 19.30 - 21.45 Uhr
Anwesende: ca. 40 Personen und Pressevertreter
Nach der Begrüßung durch Herrn Thomas übernimmt Frau Gasser die Moderation.
Zunächst erläutert Frau Enslin, was unter Schreibenden Frauen zu verstehen ist.
Sie bezieht sich auf einen Essay von Virginia Woolf, der schildert , mit welchen
Schwierigkeiten Frauen vor 200 Jahren zu kämpfen hatten, wenn sie als
Schriftstellerin an die Öffentlichkeit treten wollten. Die Frau hatte damals
keine eigenen Rechte, sie war finanziell abhängig von ihrem Mann und war ihm
untertan. Ihr Arbeitsbereich lag in Küche und Haushalt. Nur gegen große Widerstände
erkämpften sich Frauen ihre Position als Schriftstellerin.
Frau Gasser stellt nun George Sand vor. Ihr bürgerlicher Name war Aurore Dupin
(1804 - 1876). Sie war eine der größten französischen Schriftstellerinnen des
19. Jh. und verdiente ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben. Lebensmittelpunkt
war das Gut Nohant in der Nähe von Chatre, wo sie jeden Donnerstag ihre
literarischen und künstlerischen Freunde empfing. Ihre bekannteste Liaison war
die mit Chopin, mit ihm lebte sie neun Jahre zusammen. Unter dem Pseudonym
George Sand veröffentlichte sie zahllose Romane, Theaterstücke , eine 10-bändige
Biografie und Essays. Sie trat immer ein für die Rechte der Frauen und setzte sich
politisch ein für Randgruppen der Gesellschaft . In dem Roman Indiana, den sie mit
großem Erfolg publizierte, schildert sie eine junge Frau und ihre Beziehung zu
drei Männern. Die 17-jährige Indiana ist unglücklich verheiratet mit dem alten
Oberst Delmare. Sie verliebt sich in Raymond, aber diese Liebe wird nicht erfüllt.
In allen Krisensituationen ist Ralph, ein Halbbruder, ihr Retter und Helfer in der Not.
Frau Enslin stellt die Geschwister Brontė aus England vor. Ihr Vater, Pfarrer Patrick
Brontė, lebte mit seiner Familie Anfang des 19. Jh. in einem abgelegenen Pfarrhaus
in West Yorkshire. Von den sechs Kindern starben zwei Mädchen im Kleinkindalter.
Die Geschwister Charlotte, Branwell, Emily und Anne, geboren zwischen 1816 und 1820,
wurden nach dem Tod der Mutter von deren Schwester aufgezogen. Sie führte den
Haushalt und ermöglichte auch Studienaufenthalte in Brüssel. Schon im Kindesalter
erdachten sich die Geschwister fiktive Welten, für die sie Spiele und Gedichte erfanden.
Jedes Mädchen veröffentlichte seine Lyrikbände und Romane unter einem Pseudonym,
nur der Bruder schrieb unter seinem Namen Branwell Brontė. Bedeutung erreichte nur
Emily mit Ihrem Roman Sturmhöhe , ein Familienroman, der über drei Generationen
kunstvolle Verwirrungen und Schicksale schildert.
Vor der Pause erfreut uns Walter Enslin mit dem Lied Plaisir d'amour. Ein Komponist
aus Oberbayern wanderte aus nach Frankreich und wurde am Hofe von Louis XVI
Hofmusikant und schrieb dieses Lied. In den 60er Jahren war es in der Interpretation
von Joan Baez d a s Friedenslied, das um die ganze Welt ging.
Nach der Pause wenden wir uns jüdischen Schriftstellerinnen zu, die unter der
NS-Herrschaft ihr literarisches Schaffen einstellen oder verbergen mussten.
Herr Axt übernimmt nun die Moderation.
Über Emilie Braach (1898 - 1998) berichtet uns Frau Mattner. Ihr Vater war ein
Lederwarenfabrikant, der im 3. Reich für die Wehrmacht produzierte. Da er Jude war,
musste er seine Firma schließen , alle Ersparnisse wurden beschlagnahmt und er
erhielt Berufsverbot. Um die Eltern vor der Deportation zu retten, versteckte
Emilie sie in ihrer kleinen Wohnung. Frau Mattner hat Emilie Braach persönlich
kennengelernt und war zu ihrem 100. Geburtstag im Palmengarten eingeladen. Ihre
Tochter flüchtete 1939 nach England und die Mutter schrieb ihr Briefe, die nie
abgeschickt wurden , da es zu gefährlich war. Diese Briefe wurden in einem Buch
veröffentlicht. Herr Mattner liest uns einen Brief über den Vater vor, in dem das
Schicksal der Lederwarenfabrik geschildert wird.
Auch Inge Deutschkron (geb. 1922) , die uns von Ingrid Axt vorgestellt wird,ist
Jüdin. Die Tochter eines jüdischen Gymnasiallehrers entging dem Holocaust, weil
sie von 1941-42 in einer Blindenwerkstatt gearbeitet hat und danach von
nichtjüdischen Frauen versteckt wurde. Nach 1945 arbeitete sie als Journalistin in London,
Bonn und Tel-Aviv. 2013 hielt sie die Rede zur Gedenkstunde der Opfer des
Nationalsozialismus im Bundestag. Ihr Buch Ich trug den gelben Stern schildert
die Probleme der Jüdin, die der gelbe Stern an ihrem Mantel auswies. Bevor sie
an ihrer Arbeitsstelle ankam, musste sie die Jacke wechseln, um den Judenstern
zu verstecken. Das war nicht ungefährlich.
Über Hilde Domin (1909 - 2006) erzählt uns Robert Axt. Die Tochter eines
jüdischen Rechtsanwalts fürchtete Gefahr durch die Machtübernahme der Nazis
und ging mit ihrem späteren Ehemann Palm 1932 zwecks Studium nach Rom. Später
emigrierten sie nach England und von dort 1940 in die Dominikanische Republik.
Ihr Ehemann war machohaft, oft unterwegs auf Reisen und er war neidisch auf ihre
dichterischen Fähigkeiten. Für Hilde Domin war das Dichten ein Werkzeug zum
Überleben. Obwohl ihr Mann viele Mätressen hatte, hat sich Hilde ihrem Mann
untergeordnet. "Ich bin bereit, vor dir niederzuknien, aber nicht, mich
aufzugeben." Ab1954 lebte sie in der Bundesrepublik. Ihr bekanntestes Gedicht
heißt Nur eine Rose als Stütze.
Herr Thomas dankt allen Beteiligten für ihre Beiträge und erinnert an den
letzten Abend in diesem Jahr am Mittwoch, dem 26. November 2014 um 19.30 Uhr
im KUHtelier zu dem Thema "Junge Dichter"
Renate Gasser