Karbener LiteraturTreff e.V.
Bericht : vom 24.09.2014
Thema: Verfolgte Dichter, verbrannte Bücher
Ort: KUHtelier
Zeit: 19:30 - 22:30 Uhr
Anwesende: ca. 40 Personen und Pressevertreter
Nach der Begrüßung durch Herrn Thomas übernimmt Herr Körber , der den Abend auch
organisiert hat, die Moderation. In einem historischen Abriss erläutert Herr Körber
die Entstehung des Antisemitismus. Martin Luther verhielt sich gegenüber den
Juden neutral, war aber später sehr aufgebracht, weil sie seine Religion nicht
akzeptierten und meinte, man solle sie aus dem Land jagen. Im 19. Jh. polemisierte
Prof. Heitschke gegen die kapitalistische Raffsucht der Juden. In der Weimarer
Republik (1918-1924) gaben rechte reaktionäre Gruppen den Juden die Schuld am
Verlust des 1. Weltkriegs. Während des Wirtschaftsaufschwungs (1924-1925)
erlebten Kunst und Kultur eine Blütezeit.
Viele politische Themen wurden
über Malerei, Theater oder Bücher ausgetragen. Als die NSDAP 1932 endgültig
die Mehrheit besaß, wurde Göring zum Reichtagspräsidenten ernannt und eine
Missachtung der Juden begann. Die Kampagne wider den deutschen Geist führte
1933 zu Bücherverbrennungen und zur Vertreibung zahlreicher (ca. 2500)
Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller.
Dr. Hans Kärcher stellt uns als ersten verfolgten Schriftsteller
Erich Mühsam (1878-1934) vor. Der Sohn eines Apothekers reiste durch Europa
und machte während des 1. Weltkriegs Antikriegs-Propaganda. Er engagierte sich
politisch gegen den Faschismus und wurde nach dem Reichstagsbrand inhaftiert.
Im KZ Oranienburg wurde er am 10.Juli 1934 ermordet.
Wir hören von ihm die Gedichte
Die Revoluzzer, Gesang der Vegetarier, Liebesweh, der Gefangene, Mensch sein.
Trotz der kritischen Inhalte zeigen die Gedichte viel Humor.
Kurt Tucholsky (1890-1935) erläutert uns Claudia Weishäupl. Tucholsky war ein
bedeutender Publizist der Weimarer Republik. Nach seinem Kriegseinsatz im 1. Weltkrieg
ließ er sich in Schweden nieder. In seinem Werk schreibt er kritisch über die Politik ,
die er humorvoll in menschlichen Begebenheiten verpackt.
Die Satire Hitler und Goethe -
ein Schulaufsatz hätte nach der Machtergreifung sein Todesurteil bedeutet .
1935 stirbt er an einer Überdosis Schlaftabletten.
Dieter Körber berichtet uns über Ernst Toller (1893-1939). Der jüdische Pole
studierte in Frankreich. Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs meldete er sich freiwillig
als Soldat. Als Versehrter kehrte er 1916 zurück und wurde zum Pazifisten. Er engagierte
sich für die Münchner Räterepublik und erhielt fünf Jahre Festungshaft. In dieser
Zeit schrieb er seine bedeutendsten Dramen, z.B. Masse Mensch. Nach der Bücherverbrennung
1933 zog er nach London, emigrierte dann in die USA und beging 1939 in einem New
Yorker Hotelzimmer Selbstmord. Wir hören einen Brief aus dem Gefängnis Schwalbennest.
Joseph Roth (1894-1939) ist der Schriftsteller, über den Herr Thomas referiert.
Dieser österreichische Schriftsteller und Journalist war einer der wunderbarsten
und bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller.
Freiwillig zog er in den 1.
Weltkrieg. Seit 1918 war er Korrespondent bei vielen Zeitschriften. Ab 1933 lebte
er in Paris, wo die schönsten Romane entstanden z.B. Radeztkymarsch .Gezeichnet
durch Schicksalsschläge, enttäuscht über die politischen Zustände und alkoholkrank
starb Roth in einem Pariser Armenhospital.
Rosie und Walter Enslin erfreuen uns mit dem Lied Donna Donna, das in den Lagern
entstanden ist.
Nach der Pause hören wir von Robert Axt über Stefan Zweig (1881-1942). Der
österreichische Schriftsteller reiste nach seiner Promotion 1904 durch alle Kontinente.
Während des 1. Weltkrieges arbeitete er im Wiener Kriegsarchiv. Seine schriftstellerische
Tätigkeit umfasst alle Gattungen, seine Bücher wurden in 50 Sprachen übersetzt.
Bis 1933 lebte er mit seiner Frau in Salzburg, floh nach den Erfolgen Hitlers nach
Brasilien. Unter Depressionen leidend , nahm er sich dort mit seiner zweiten
Frau Lotte das Leben.
Anschaulich erzählt uns Herr Axt über sein Buch Schachnovelle
(1939-1941). Die Gestapo versucht durch Psychoterror einen Wiener Anwalt zu einem
Geständnis zu zwingen. Dieser rezitiert Verse, um seinen Geist wach zu halten.
Als er ein Schachlehrbuch findet, spielt er die Szenen vor seinem geistige Auge
nach. Schließlich erleidet er einen Nervenzusammenbruch und wird entlassen. Er
emigriert nach Argentinien und trifft auf dem Schiff den Schachweltmeister.
Die erste Partie gewinnt er, bei der Revanche befürchtet man einen
Nervenzusammenbruch wegen seiner traumatischen Erlebnisse und man bricht die Partie ab.
Über Walter Benjamin (1892-1940) spricht Walter Enslin. Benjamin war ein
Gesellschaftstheoretiker, ein bedeutender Philosoph und Übersetzer der Werke
von Balzac, Baudelaire und Proust. 1930 arbeitete er mit B. Brecht für den Rundfunk.
1933 zwangen ihn die Nationalsozialisten ,nach Paris ins Exil zu gehen.
Er wurde im
Lager Vernuche bei Nevers interniert. Nach seiner Entlassung 1939 schrieb er die
Thesen Über den Begriff der Geschichte. 1940 versuchte er über Portugal in die USA
auszureisen. Im spanischen Grenzort Portbou nahm er sich am 27. September 1940 das
Leben, weil er die Auslieferung an die Deutschen noch immer befürchtete.
Frau Gasser referiert über Else Lasker-Schüler (1869-1945) Sie war zweimal
verheiratet,
wurde zweimal geschieden und hatte dennoch einen unehelichen Sohn.
Sie schrieb Gedichte, Romane, Theaterstücke, ihre Themen waren häufig jüdisch,
ihre Phantasie orientalisch, ihre Sprache Deutsch. Wegen Anspielungen auf das
jüdische Schicksal in einem Theaterstück wurde sie 1933 von den Nazis bedroht.
Sie flüchtete über die Schweiz nach Palästina .
1945 starb sie arm und einsam in Jerusalem.
Mit dem Lied Sag mir, wo die Blumen sind von Lili Marlen, das uns Rosie und
Walter Enslin vortragen, wird der Abend beendet.
Mit einem herzlichen Dankeschön an alle Vortragenden und an den Organisator,
Herrn Körber, beschließt Herr Thomas den Abend.
Unsere nächste Veranstaltung findet statt am
29. Oktober 2014 um 19:30 Uhr im KUHtelier
zu dem Thema "Schreibende Frauen"
Renate Gasser