Karbener LiteraturTreff e.V.
Bericht vom literarischen Sommerfest, Freitag, 23. August 2019:
"Jazz und Literatur"
Ort: KUHtelier, Groß Karben, im Schlosshof von Leonhardi
Zeit: 19:00 - 23: 30 Uhr
Anwesende: ca. 80 Personen und Pressevertreter
Am 23. August 2019 veranstaltete der Karbener LiteraturTreff ein viertes
literarisches Sommerfest und zum dritten Mal unter dem Motto "Jazz und Literatur".
Der Vereinsvorsitzende Dieter Körber begrüßte die Gäste und übernahm gekonnt und
routiniert die Moderation. Das Zusammenspiel mit der exzellenten Band
"Jazz for Friends" führte zu einem überzeugenden, unterhaltsamen, swingend
mitreißenden Sommerfest. Dieter Körber stellte die Band "Jazz 4 Friends" vor,
die sich zu einer tragenden Säule des Programms entwickelte. Es musizierten:
die vielseitig begabte, geniale Nicola Piesch, die im Verlauf des Programms mit
wirbelndem Trommelschlag auf den Congas, mit Querflöte und nicht zuletzt mit
ihrem wunderbaren Gesang begleitet von der Ukulele aufwartete - gekonnt und
professionell am Klavier Dieter Wierz, rhythmussicher am E-Bass der talentierte
Michael Bolowich und klangvoll mit Spielfreude und Temperament Oliver Zimmer mit
seiner Trompete. Nach der Begrüßung der Gäste begannen wir, wie immer mit Musik
und die Band spielte auf beschwingte Weise "Swing that music"
und als zweites Stück "Rumba negro".
Den literarischen Programmteil eröffnete Barbara Metz mit einem Gedicht der
großen Lyrikerin Ingeborg Bachmann.
Ingeborg Bachmann die österreichische
Schriftstellerin und Lyrikerin gilt als eine der bedeutendsten Autorinnen des
20. Jahrhunderts. Aus ihren Frankfurter Vorlesungen zur Poetik im Wintersemester
(1959/60) stammt der Satz:
"Was aber möglich ist, in der Tat, ist Veränderung. Und die verändernde Wirkung,
die von neuen Werken ausgeht, erzieht uns zu neuer Wahrnehmung, neuem
Gefühl, neuem Bewusstsein."
Aus ihrem reichen Schatz an Lyrik las Barbara Metz ausdrucksvoll und eindringliche
das Gedicht "An die Sonne" eine wahre Ode an die Sonne, die mit Wehmut endet,
auch eine Metapher der ewigen Vergänglichkeit.
Die Lesungen wurden fortgesetzt mit einem Auszug aus der Erzählung "Die Taube"
von Patrick Süßkind. Körber erzählt kurz den Inhalt der Erzählung: Der Protagonist
heißt Jonathan ein einsamer Mann. Als Kind bei einem Onkel aufgewachsen und von
früh an Gehorsam gewöhnt. Jetzt als Erwachsener lebt er in einem möblierten
Zimmer im sechsten Stock eines Pariser Mietshauses, wo in acht Zimmern auf dem
gleichen Flur weitere Mieter wohnen. Toilette und Waschgelegenheit im Flur gelegen.
Jonathan hasst nichts so sehr, wie Veränderung. Eines Morgens öffnet er seine Tür
und davor sitzt eine Taube. Tief erschrocken weicht Jonathan ins Zimmer zurück.
Er kann mit der Taube vor dem Zimmer nicht leben und er zieht daher vorübergehend
in ein Hotel. In der Erzählung werden dann weitere Misslichkeiten geschildert.
Bis sie mit einer Art happy end ausklingt.
Almut Rose las gekonnt und engagiert
die Szene, in der Jonathan erstmals auf die Taube trifft.
Anschließend kam der irischen Autor Brian Ò Nualláin, bekannt ist er allerdings
unter seinem Pseudonym Flann O'Brian, zu seinem Recht.
Über Flann OŽBrian wird gesagt: Seine geflügelten Bosheiten, die sein Werk
durchziehen, seien von subtiler, leichter, absurder, komischer, anarchistischer
Natur. Rosi Kärcher las mit Verständnis und großem Geschick aus Flann OŽBrian
"Kolumnen für die Irish Times, "Buchhandhabung". Ein Text in dem mit feinem Spott
dargelegt wird wie die Angehörigen einzelner sozialer Schichten mit Büchern umgehen.
Dann kamen wir zu Heinrich Heine dem Dichter der vom Rhein kam, wie sein
russischer Biograf sagt. Düsseldorfer Meinungen zu diesem Sohn der Stadt
oszillieren heute noch zwischen Stolz und Abkehr. Wir zeigten ihn von seiner
scheinbar nur poetischen Seite. Aber auch das märchenhafte Gedicht "Waldeinsamkeit"
offenbart bei genauer Betrachtung viele Anspielungen und Kritik an sozialen und
gesellschaftlichen Zuständen. Barbara Metz widmete sich Heinrich Heines
"Waldeinsamkeit" mit einfühlsamem, bewegendem Lesen. Sie lässt durch die
Eindringlichkeit ihres brillanten Lesens die Märchenfiguren lebendig werden.
Die Besucher quittieren den gekonnten Vortrag mit reichlichem Applaus.
Zauberhafte Klänge der Band "Jazz 4 Friends" setzen das Programm mit
"Si tu vois ma mère" fort.
Das Literarische kommt zu Kurt Tucholsky, dem bedeutenden Satiriker der
Weimarer Republik. In diesem Text hat sich Tucholsky Gedanken gemacht, wie wohl
eine Kinderfrage bei einen Essen mit Bekannten und Verwandten für Unruhe sorgen
kann. Es geht bei diesem Text um die wichtige Frage "Wo kommen die Löcher im Käse her?"
Kurt Tucholsky "Wo kommen die Löcher im Käse her?" Dieter Körber gab den Personen
im Text eigene Stimmen und eigene Intonation, kurz, er bot ein Kabinettstückchen
der Komödianterie.
Musik schloss sich an, die Band spielte S'wonderful.
In der Pause wurden auf kompostierbaren Tellern Salate, heiße Würstchen und
Frikadellen gereicht.
Die diversen Köstlichkeiten wurden unter der professionellen Leitung von
Helga Böhner, bereitgehalten und die Pause wurde von den Besuchern gerne
zum Imbiss wahrgenommen.
Der zweite Teil begann ebenfalls mit Musik wir erlebten Jazz 4 Friends mit
Somebody loves me.
Literarisch ging es weiter mit Gerhard Zwerenz.Gerhard Zwerenz war kurzzeitig
PDS-Politiker, er studiert nach dem Krieg bei Ernst Bloch in Leipzig Philosophie
und arbeitet in der DDR als Journalist. Zunehmend kritisch gegenüber dem SED-Regime
siedelt er 1957 in die Bundesrepublik über, wo er als freier Schriftsteller arbeitete.
Von 1994 bis 1997 war er Bundestagsabgeordneter für die PDS. Zwerenz' Werk umfasst
mehr als 100 Bücher und Schriften und wird vielfach kontrovers diskutiert.
In Zwerenz' Satire "Der eigene Rhythmus" geht es um einen diagnostizierenden Arzt
und seinen Patienten. Der Patient will endlich gesund leben und unternimmt daher
eine Reihe von Aktivitäten meist sportlicher Art und hat dann mit allerlei
Mallessen und Allergien zu kämpfen. Am Ende aller ärztlichen Beratungen verweist
der Patient auf seinen eigenen Rhythmus. Ingrid+ Robert Axt lesen spritzig und
gekonnt dialogischen den Zwerenz Text "Der eigene Rhythmus".
Heidi Walter trägt hervorragend Theodor Storms Gedicht "Katzen" vor. Theodor
Storm hat ein balladeskes Scherzgedicht geschrieben, das "Von Katzen" handelt
und von einer Person,die sich ihrer Menschlichkeit rühmt,weil sie fünf Maikätzchen
vorm Ertränken gerettet hat.
Der große Grantler, wie die Wiener sagen, kam auch zu Ehren, gemeint ist der
geniale Thomas Bernhard der seine österreichischen Landsleute mit ätzender Kritik
gequält hat. Wieder eine dialogische Lesung. Manfred Mattner und Hans Kärcher lesen
aus dem Dramolett "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen".
Der Inhalt entspricht gänzlich dem Titel, die beiden Protagonisten räsonieren
über allgemeine Befindlichkeiten und darüber wie es wäre, wenn nun auch Köpfe
austauschbar wären und könnten in einer Plastiktasche nach Hause getragen werden.
Hans Kärcher und Manfred Mattners überzeugende dialogische Lesung erntete viel Beifall.
Entspannung bringt die gefühlvolle Interpretation von "Girl from Ipanema" durch die Band.
Zurück zur Literatur kommen Ingrid und Robert Axt mit Gerhard Zwerenz "Die
Auferstehung des Odenwälder-Karl". In dieser Satire wird ein sterbenskranker
Altbauer und Urgroßvater im Krankenhaus von den zahlreichen Mitgliedern seiner
Sippe heftig umsorgt. Tod geglaubt und in der Klinik bereits abgeschoben wird er
von seiner Sippe mit Schinken und Schnaps wieder auf die Beine gebracht und wird
zum Schrecken der Krankenschwestern. Die Klinik ist heilfroh ihn endlich entlassen
zu können. Die glänzend komödiantische Lesung, wiederum dialogisch von Ingrid und
Robert Axt erntet viel Beifall.
Auch die Lyrik kam wieder zu ihrem Recht mit einem Gedicht von Mascha Kaléko.
Die jüdische Dichterin Mascha Kaléko wurde 1907 in Galizien geboren. Mit Charme
und Humor, mit erotischer Stahlkraft und sozialer Kritik erobert sich die junge
Mascha Kaléko im Berlin der Weimarer Republik die Herzen der Großstädter.
Sie schreibt ihre Verse in zärtlich-weiblichen Rhythmen, die jeder versteht,
weil sie von Dingen handeln, die alle erleben: von Liebe, Abschied und Einsamkeit,
von finanziellen Nöten, von Sehnsucht und von Traurigkeit.
Natürlich musste auch sie vor den Nazis fliehen. Heidi Walter las mit Sprachgefühl
und Ausdruck "Sozusagen grundlos vergnügt" von Mascha Kaléko.
Mit L.O.V.E verabschiedete die Band die Besucher in die Kaffee- und Kuchen-Pause.
Mit "Exactly like you" wurden sie nach der Pause von der Band begrüßt.
Claudia Weishäupl hatte sich drei Tucholsky Gedichte vorgenommen.
"Augen in der Großstadt", "An das Baby" und "Mona Lisa". Mit Effet und Einfühlung
trug Claudia Weishäupl vor.
In seiner Satire "Alle Tiere sind schon da" beschreibt Ephraim Kishon ein
Gespräch mit seinem Verleger. Der will ein Kinderbuch von seinem Autor, am besten
eins mit Tieren. Doch alle Tiere haben schon je ein eigenes Buch.
Rosie Cordsen-Enslin und Karin Schrey boten lebhaft und witzig mit reichem
Ausdruck eine dialogische Lesung von Ephraim Kishons Satire "Alle Tiere sind schon da".
Als Weltsensation gab Helmut Regenfuß einen Einblick in "Adams Tagebuch", von einem
gewissen Mark Twain übersetzt. Er steigt hinein in die Tiefe des Menschenursprungs
und bot in diesem Tagebuch Texte von Adam, der gehörig über seine Eva resoniert.
Adam beschwert sich fortwährend über die Geschwätzigkeit seiner langhaarigen
Gefährtin Eva und fühlt sich von ihr sehr gestört. Aber wie wir wissen, rauften
sie sich doch zusammen. Mark Twain: "Adams Tagebuch" gekonnt und souverän
gelesen von Helmut Regenfuß.
Zum Abschluss des literarischen Teils bringen Ingrid Axt und Fritz Böhner
authentisch gespielte Loriot Sketche. Einmal "Der Konzertbesuch 1." ein Paar im
Aufbruch zum Konzertbesuch wird ewig nicht fertig und nach einer Musikeinlage der
Konzertbesuch 2" nach der Rückkehr des Ehepaares, beginnt es eine Diskussion über
die Möglichkeiten vielgestaltig zu musizieren. Mit reichlichem Lachen und
wohlverdientem Beifall werden die auf ausdrucksvolle Weise überzeugend spielenden
Komödianten verabschiedet.
Unter den Klängen von "Sweet Georgia brown" sollte das Programm enden, doch die
Besucher erbaten Zugabe um Zugabe.
Dies nach vier Stunden anspruchsvollem Programm war eine Art Ritterschlag für den
Karbener LiteraturTreff e. V.
Nach dem Dank von Dieter Körber an alle Mitwirkende fand das Sommerfest unter
lang anhaltendem Applaus sein Ende.
Unser nächster literarischer Abend findet statt
am 26. September 2019 Unter dem Titel "Stimmen der Literatur zum September 1939"
Wie immer im KUHtelier, um 19:30 Uhr. Einlass um 19:00 Uhr, Beginn um19:30 Uhr.
Dieter Körber