Karbener LiteraturTreff e.V.
Bericht vom 25. August 2016
vom "Verlust der Heimat "
Ort: KUHtelier, Groß Karben
Zeit: 19.00 - 21:15 Uhr
Anwesende: Knapp 50 Personen
Hans-Martin Thomas begrüßt die Gäste nach der Sommerpause zum Thema Verlust der Heimat .
Das Thema Flüchtlinge beherrscht in letzter Zeit die Presse und so möchten auch
wir diesen ernsten Ereignissen einen Abend widmen. Viele Menschen mussten den
Verlust der Heimat erleben, so z.B. die Flüchtlinge im 2. Weltkrieg, während der
Balkankrise und jetzt hören wir von Flüchtlingsschicksalen aus Syrien.
Barbara Höhfeld , geboren in Dortmund, erzählt vom Schicksal eines 10-jährigen
Mädchens, das mit der Mutter und ihren drei Brüdern im 2. Weltkrieg nach Böhmen
verschickt wurde. Sie liest aus ihrem Buch Drei Sommer. Die Erlebnisse sind
weitgehend autobiographisch und berichten von Hungerphasen, Krankheit der Mutter
und der Heimkehr des Vaters, der völlig ausgemergelt aus dem Krieg zurückkam.
Aber das Mädchen erlebt auch eine unbeschwerte Kindheit mit ihren Brüdern und
entwickelt sich zu einem jungen Fräulein.
Barbara Höhfeld ist Diplomübersetzerin und schreibt Gedichte, Essays und Romane.
Sie lebt seit 1991 in Frankfurt.
Tamara Labas -Primorac wurde in Zagreb, Kroatien, geboren. Als Kleinkind kam sie
mit ihren Eltern nach Frankfurt, studierte Germanistik und Kunstgeschichte.
Sie arbeitet als Familien- und Sozialtherapeutin, ist Übersetzerin für
Kroatisch und Serbisch und leitet den Literatur-Club für Frauen aus aller Welt.
Sie liest Gedichte zum Thema Angst, Verlust der Heimat und ihrer Wurzeln, und
das Verlorensein zwischen den Welten. Ihre Gedichte heißen Heimat und Zwischen
den Welten.
Aus Sizilien kommt Venera Tirreno, lebt seit vielen Jahr in Frankfurt.
Nach dem Studium der Betriebswirtschaft hat sie lange bei einer Großbank
gearbeitet. Sie gab ihren Beruf auf, um sich dem Schreiben zu widmen. Sie
trägt ihre Gedichte auf Italienisch und Deutsch vor. In dem Gedicht Parole / Worte
stellt sie die Frage nach dem Erlernen der deutschen Sprache, sie hat doch zwei
Vaterländer und zwei Muttersprachen. Meine zweite Erde schildert den zunehmenden
Abstand von der Heimat Sizilien und die Suche nach Ruhe im neuen Vaterland.
Lori Tengler aus Kanada lebt seit vierzig Jahren in Deutschland und war als
Englischlehrerin an verschiedenen Schulen tätig. Ihr Heimatland Kanada ist ein
Einwanderungsland. Sie schildert das Schicksal von Kim Thuy, einer vietnamesischen
Schriftstellerin, die als 10-jährige mit ihren Eltern als Boat-People nach Kanada
kam. Kim Thuy schreibt in ihrem Buch Der Klang der Fremde über ihren Neubeginn
in Quebec. An die Flucht als Kind in einem Boot hat sie schreckliche Erinnerungen,
aber der Anfang eines neuen Lebens in Kanada weckt Hoffnung und Zuversicht.
Aus dem vietnamesischen Flüchtlingskind ist eine Juristin und Schriftstellerin geworden.
Frau Jouhy liest die Geschichte Mut für Mariam aus dem Buch ihres Mannes Ernest
Jouhy (1913-1988). Der Titel des Buches heißt Weihnachtsgedanken und wird derzeit
im Morlant - Verlag neu herausgegeben. Ernest Jouhy beleuchtet den christlichen
Weihnachtsgedanken auf gesellschaftliche und humane Aspekte neu. Mut für Mariam
weist darauf hin, dass wir ‚Brosamen' an die Kinder aus den Favelas verschwenden,
uns aber in Wirklichkeit um unser Heizöl kümmern. Wir sind nicht solidarisch mit
den Kindern, die an der Mutterbrust verhungern, wir übertünchen alles mit
Wohltätigkeit.
Fritz Böhner erinnert an die grauenhafte Entdeckung von 71 Flüchtlingen, die im
November 2015 in Österreich tot in einem Lieferwagen gefunden wurden. Ein
junger Mann, Mohamed, versucht dem IS zu entkommen und vertraut sich Schleusern
an, die ihn zu seinem Bruder Abdul in Deutschland bringen sollen. Vergeblich
wartet Abdul auf seinen Bruder, vergeblich versucht er, die Hintergründe dieses
schrecklichen Ereignisses aufzuklären. Klar ist nur, dass die Schleuser ihre
Profitgier ausgenutzt haben und das Leben der Menschen gewissenlos
aufs Spiel gesetzt haben. Dieser Fall ist noch lange nicht aufgeklärt.
Die musikalische Gestaltung dieses Abends hat Martina Riedel übernommen, die
uns auf dem Klavier ein iranisches Stück, Petite Fleur, die Sprache der Liebe
und ein Stück von Bach vorspielt.
Anschließend entwickelte sich eine Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft
und über die emtionale Heimat, die jeder für sich definieren muss.
Hans-Martin Thomas, der den Abend organisiert und moderiert hat, dankt allen
für ihr Kommen und für die bewegenden Beiträge.
Unser nächster Abend findet statt
am Donnerstag, 29. September 2016
um 19:00 Uhr im KUHtelier
Das Thema heißt: Poetry Slam Wetterau zu Gast beim Karbener LiteraturTreff
Renate Gasser