Karbener LiteraturTreff e.V.
PROTOKOLL ZUM LITERATURABEND 28. MAI 2014
Thema: Ein deutscher Dichter, der große B. B., Bertolt Brecht
Tag: 28.05.2014
Ort: KUHtelier, Karben
Zeit: 19.40 - 22.08 Uhr
Anwesende: ca. 65 Gäste und Besucher
Protokollant: Dieter Körber (in Vertretung von Renate Gasser)
Mit einer kleinen Verzögerung von 10 Minuten beginnt unser "Brecht-Abend", denn
es müssen in aller Eile noch zusätzliche Stühle für die andrängenden Besucher
aufgestellt werden. (Zwischen 60 und 70 Besucher, laut Peter Mayer)
Nach einstimmenden Kurt Weill Melodien von Beate Hoffarth-Rittinger auf dem
Akkordeon gespielt, erfolgt die Begrüßung der Gäste durch Dieter Körber
(in Vertretung von Hans-Martin Thomas).
Dieter Körber ist auch für die Gestaltung
des Abends und die Organisation des Programms verantwortlich.
Dieter Körber führt als Moderator in das Thema ein. Er erläutert, dass unser
Anliegen für den Abend nicht sein kann, etwa eine Gesamtdarstellung des gewaltigen
Èuvre Brechts zu bieten, sondern, eher als Motto "mehr Lust auf Brecht".
Er erläutert, dass Brecht heute für Fachleute der bedeutendste deutsche Lyriker
des 20ten Jahrhunderts ist. So liegt auch das Schwergewicht des Abends nicht auf
Brechts Dramen oder seinen Theatertheorien.
Dieter Körber betont, dass auch in Brechts Lyrik die Haltung des Dichters stets
politisch und von sozialer Problematik geprägt ist. Er zitiert Hannah Arendt:
"Politische Stellungnahmen und Bindungen haben eine so entscheidende Rolle im
Leben und Werk des Autors gespielt." Betont werden die historischen Stationen
im Leben Brechts.
Brecht wird 1898 ins Kaiserreich geboren, erlebt den
Hurrapatriotismus im Vorfeld des I. Weltkrieges, die Kriegsjahre, den Niedergang,
die Revolution 1919, die Weimarer Republik, den Faschismus, die Emigration,
den II. Weltkrieg, die Rückkehr, die Teilung Deutschland, das Leben in DDR.
Dieter Körber schildert den Lebenslauf Brechts und darin eingebettet sind die
Beiträge des Abends und folgen somit der Chronologie von Brechts Lebensstationen.
Geboren wird Brecht 1898 in Augsburg, besucht dort die Volksschule und das
Realgymnasium. Brecht ist sich schon 1913 mit 14 Jahren sicher einmal Dichter
zu werden und gründet mit Freunden die Schülerzeitung die "Ernte".
Bereits 1915 schreibt er sein erstes Gedicht ("das Lied der Eisenbahntruppe von
Fort Donald") Brecht wandelt sich vom jugendlichen nationalistischen Schwärmer
zum Kriegsgegner.
Eingehend behandelt der Moderator das Thema Brecht und die Frauen. Beginnend
mit der frühen Schwärmerei zur Marie Rosa Amann über die erste Liebe (mit der
Folge eines unehelichen Sohnes) zur Paula Banholzer seiner "Bi"
(Abkürzung von Bittersweet). Die erste Ehe mit Marianne Zoff
(eine Tochter Hanne, diese wird unter dem Namen Hanne Hiob eine berühmte Schauspielerin),
gleichzeitig eine Verbindung mit Helene Weigel und ein drittes Kind, 1923
bereits 3 Frauenverbindungen und 3 Kinder mit 24 Jahren also, hohe Unterhaltszahlungen.
1924 Scheidung von Marianne Zoff und eine neue liebende Verbindung mit
Elisabeth Hauptmann. 1929 Ehe mit Helene Weigel. 1930 Geburt der gemeinsamen
Tochter Barbara. 1930 eine neue Liebesbeziehung zu Margarete Steffin.
Wie Dieter Körber betont suchte Brecht keine Bettgespielinnen, sondern - und
darin ist er vielleicht bis heute Avantgarde - das ebenbürtige, intelligente,
schöpferische weibliche Gegenüber. Er machte keinen Hehl aus seiner polygamen Lebensweise.
Er hatte aber auch keine Schwierigkeiten die Verdienste der Frauen hervorzuheben
oder sie als Co-Autoren zu nennen.
Vom weiteren Lebenslauf Brechts hören wir: Im Jahr 1918 entsteht neben dem
Schauspiel "Baal" eines der meist interpretierten Gedichte Brechts "Legende vom
toten Soldaten" Die Nationalsozialisten setzen Brecht bereits 1923 beim
"Hitlerputsch" wegen dieses Gedichtes auf ihre berüchtigte "Schwarze Liste"
(Der Leute die aus ihrer Sicht verhaftet gehören)
Das Gedicht erzählt von einem toten Soldaten , der wieder ausgegraben wird und
dessen Skelett von der Ärztekommission als k.v. eingestuft wird. Es ist ein
Antikriegs-gedicht, es enthält auch blasphemische Anspielungen auf die christliche
Auferstehung und benennt metaphorisch die Kriegstreiber.
Barbara Metz trägt das Gedicht Legende vom toten Soldaten vor.
Anschließend hören wir Robert Axt mit einer Interpretation und dem Vortrag des
Gedichtes Erinnerungen an die Marie A..Hier huldigt Brecht seiner frühen unerfüllten
Liebe es ist nur noch eine blasse Erinnerung an eine Frau, die er einst liebte.
Das Einzige, an was er sich genau erinnern kann, ist der Kuss in Verbindung mit einer Wolke.
Claudia Weishäupl schließt sich mit dem Vortrag der 1922 entstandenen Ballade
Vom armen B. B. an. Die Ballade "Vom armen B.B." enthält mit der Formel misstrauisch
und faul und zufrieden am Ende eher die Maximen einer Porträtfigur, die in ihrer
Asozialität und Modernität besticht. Die Ballade ist in neun Kapitel eingeteilt
und skizziert einen bestimmten Typus des Städters, der aus den schwarzen Wäldern,
sich von der Kälte der Wälder her definiert.
Dieter Körber trägt das Gedicht Vom ertrunkenen Mädchen vor. Das Gedicht
berichtet von einem toten Mädchen, das Gott allmählich vergisst, bis es im
Wasser verfault ist. Das Gedicht widmet Brecht später der 1919 ermordeten Rosa Luxemburg.
Barbara Metz und Fritz Böhner führen in die Entstehungsgeschichte des Theaterstücks
"Die Dreigroschenoper" ein. Ihre Entstehung 1928 und Brechts Anliegen, eine Kritik an
den sozialen Verhältnisse darzustellen. Dieses Anliegen wird durch die Rezeption
der mit der Musik Kurt Weills unterlegten Songs in den Hintergrund gedrängt. Wir
hören Fritz Böhner mit dem Song Die Moritat von Mackie Messer hierauf folgt Barbara
Metz mit dem Song von der Seeräuber Jenny. Zwischen den Songs erfahren wir in
Wechselrede den Inhalt der Dreigroschenoper. Die beiden Interpreten werden von
Beate Hoffarth-Rittinger auf dem Akkordeon begleitet.
Nachfolgend hören wir Robert Axt mit der Interpretation und dem Gedicht Was ich mache,
braucht niemand. Das Gedicht ist 1930 entstanden.
Dieter Körber führt weiter aus wie 1933 am 28. Februar Brecht nachdem Reichtagsbrand
mit seiner Familie und einigen Freunden Deutschland verlässt und über Prag, Wien
nach Zürich flieht. Am 10. Mai 1933 erfolgt die Öffentliche Verbrennung der
Bücher Brechts durch die Nationalsozialisten. Brecht geht über Kopenhagen nach
Svendborg ins dänische Exil.
Barbara Metz trägt das Gedicht Als ich ins Exil gejagt wurde vor. Dieses Gedicht
nimmt die Vorwürfe des Skandals zur "Legende vom toten Soldaten" wieder auf,
Brecht weist in diesem Gedicht, also bereits 1933, darauf hin, dass die neuen Macht-
haber den Krieg vorbereiten.
Zwischen 1934 und 1938 entsteht im dänischen Exil das Gedicht "An die Nachgeborenen".
Es ist ein Zeitgedicht, in dem Biografisches und Historisches miteinander
verflochten werden, ohne dass spezifische zeitgenössische Begriffe fallen.
Claudia Weishäupl rezitiert das Gedicht An die Nachgeborenen.
Aus Brechts Lebenslauf erfahren wir von seiner weiteren Flucht mit der
Großfamilie von Dänemark über Schweden nach Finnland. Als sich 1941 Finnland
mit deutschen Divisionen füllt, reist Brecht mit seiner Familie im Sibirienexpress
über Moskau nach Wladiwostok und von Wladiwostok nach San Pedro (Kalifornien)
ins amerikanische Exil.
1943 schreibt Brecht im amerikanischen Exil nach der Musik von Kurt Weill
"Das Lied von der Moldau" für sein Stück "Schweyk". Mit Gesang und Gitarre trägt
Walter Enslin Das Lied von der Moldau oder Es wechseln die Zeiten,
wie der eigentliche Titel lautet, vor.
Nach der Pause erleben wir eine dialogische Lesung aus den "Flüchtlingsgesprächen"
von 1943, "Gespräch Ziffel und Kalle" dargeboten von Fritz Böhner und Dieter Körber,
den Kommentar und die Erläuterung zu den Szenen liest Robert Axt.
Im Kommentar heißt es "die beiden Figuren Kalle und Ziffel sind, bei
Dünnbier und Zigarren, ausgiebig damit beschäftigt, die gängigen und herrschenden
Anschauungen und Denkklischees mit bayrisch-bäurischer Konsequenz zu durchleuchten
und auf den politischen und moralischen Schlagworten ihrer Zeit so lange herumzukauen,
bis die Phrasen, wie leere Hülsen, unter die traurigen Wartesaaltische fallen."
Dieter Körber beschreibt Brechts Rückkehr nach Europa: Nach dem Verhör wegen
unamerikanischen Verhaltens in Washington am 7. Dezember 1947 verlässt Brecht
die USA. Brecht bemüht sich und wartet auf seine Einreisegenehmigung nach
Westdeutschland. Da sie ihm von den alliierten Behörden versagt wird, fährt er
mit tschechischem Pass im August über Prag nach Ostberlin. Er übernimmt die
Generalintendanz des Deutschen Theaters in Ostberlin.
Im September 1949 gründet Brecht zusammen mit Helene Weigel das Berliner Ensemble.
1950 wird Brecht Mitglied der Deutschen Akademie der Künste in Ostberlin.
Walter Enslin singt mit Gitarrenbegleitung aus dem Zyklus "4Liebeslieder",
vertont von Dessau, Wenn Du mich lustig machst, Sieben Rosen hat der Strauch,
Die Liebste gab mir einen Zweig.
Robert Axt liest das Gedicht Als ich nachher von Dir ging mit der Interpretation
von Marcel Reich-Ranicki. Im Gedicht berichtet ein Mädchen, es habe in einer
Abendstunde etwas erlebt, wodurch seine Sicht verändert worden sei. Und dies in
zweifacher Weise: Sie sieht nun alles besser und anders zugleich. Es ist die
erste Erfahrung mit der körperlichen Liebe.
Dieter Körber liest den 1951 am 26. September an die deutschen Künstler und
Schriftsteller gerichteten offenen Brief Brechts, in dem er an die gemeinsamen
Anstrengungen für den Frieden in einem geeinten Deutschland appelliert.
Es schließt sich das Friedenslied gesungen und mit Gitarre begleitet von Walter
Enslin an. Die Entstehung des Gedichtes Friedenslied steht im Zusammenhang mit
den Debatten um die Aufrüstung Westdeutschlands. Es stellt eine freie Nachdichtung
dar von Pablo Nerudas Gedicht "Paz para los crepúsculos (dt.: Friede den Abenddämmerungen)
aus dem Großen Gesang (Canto general, 1950).
Fortfahrend mit der Moderation wird von der Wahl Bertold Brechts zum Vorsitzenden
des PEN-Zentrums-Ost-und-West im Mai 1953 durch die Generalversammlung berichtet.
Zum 17. Juni 1953 liegen die Ansichten, inwieweit sich Brecht von dem Regime
distanziert habe, unter seinen Anhängern und Gegnern naturgemäß weit auseinander.
Auf die Bauarbeiterschelte von Kurt Barthel dem Generalsekretär des
Schriftsteller-verbandes und Mitglied des Zentralkomitees der SED antwortet
Brecht mit dem Gedicht
"Die Lösung". Mit dem Kernsatz …
Wäre es da
Nicht doch einfacher,
die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?
Gelesen von Dieter Körber.
Brecht erhält am 21. Dezember 1954 den internationalen Stalin-Friedenspreis.
Noch einmal hören wir Claudia Weishäupl mit Gedichten aus den
Buckower Elegien sie ergänzt ihren Vortrag mit eigenen Interpretationen der Gedichte.
Am 14. August um 23:45 stirbt Bertolt Brecht infolge eines Herzinfarktes.
Dieter Körber schließt das Programm des Abends ab mit den Worten aus Brechts Stück
Der gute Mensch von Sezuan:
Wir stehen selbst enttäuscht
und sehn betroffen
Den Vorhang zu und
alle Fragen offen.
Die Mitwirkenden bekamen bei jedem ihrer Beiträge reichlich Beifall, nachdem sie
sich am Ende jedoch noch einmal auf der kleinen Bühne aufgestellt hatten, wurden
sie von einem ganz offensichtlich begeisterten Publikum mit lang anhaltendem
Beifall verabschiedet.