Karbener LiteraturTreff e.V.
Thema: Buch der Erinnerungen - Lebensläufe von Migrantinnen
Tag: 30.04.2014
Ort: KUHtelier
Zeit: 19.35 - 22.00 Uhr
Anwesende: ca. 50 Personen und Pressevertreter
Herr Thomas begrüßt Frau Klein-Esselborn , die von fünf Frauen verschiedener
Nationalität begleitet wird. Frau Klein-Esselborn unterrichtet an der
Volkshochschule Deutsch für Ausländer. Bei dieser Gelegenheit haben sich die
Frauen kennengelernt. Mit viel Ermutigung ihrer Lehrerin trafen sie sich zu
einer Schreibwerkstatt, in der Geschichten aus der jeweiligen Heimat der
Migrantinnen entstanden . Sie erscheinen in wenigen Tagen als Buch mit dem
Titel "Übergestern", das bestellt werden kann unter der ISBN-Nummer 978-3-85744-030-3.
Frau Klein-Esselborn moderiert an diesem Abend und stellt uns die Leserinnen vor.
Alena Nemudrova kommt aus Russland und lebt seit 9 Jahren in Friedberg. Anfangs
hat sie nur Englisch gesprochen, aber seit sechs Jahren besucht sie Kurse und
spricht jetzt fließend Deutsch. Schreiben auf Deutsch fällt ihr schwer, weil sie
Russisch denkt , was sich im Satzbau bemerkbar macht. Sie schreibt über ihre
Heimat in Südkaukasien, wo sie in einer "geschlossenen" Stadt , einer Stadt,
die es nicht auf der Landkarte gibt, aufgewachsen ist. Die Stadt sah arm, grau
und hungrig aus. Das Schlagwort war "Defizit", das heißt, man musste für alle
Waren Schlange stehen. 100 Heilquellen gibt es in dieser Stadt und rundherum
ist reine, wilde Natur, nach der sie sich oft sehnt.
Efi Schwein (Synonym) kommt aus Griechenland und lebt seit gut fünf Jahren in
Deutschland. Sie arbeitet als Physiotherapeutin. Sie berichtet, dass die Großmütter
den Enkelinnen ihre Namen vererben, das ist eine große Tradition in Griechenland.
Wehmütig denkt sie an ihr Elternhaus und die herrlichen Sommerferien am Meer
zurück, als sie den Duft des Meeres und die wärmenden Sonnenstrahlen genießen
durfte. So oft wie möglich kehrt sie an diesen Ort zurück.
Hanna Rost kommt aus Oberschlesien in Polen und lebt seit 20 Jahren in Deutschland.
Zunächst hat sie als Autodidaktin Deutsch gelernt, heute spricht sie
dank VHS-Kursen fließend Deutsch und arbeitet in einer Bibliothek. Sie
schreibt über einen Kuraufenthalt in Polen als 11-jähriges Mädchen. Wegen ihrer
Rückgratverkrümmung wurde sie vom medizinischen Dienst zur Kur geschickt.
In diesem Heim gab es einen strengen Tagesablauf mit Sportprogramm, Unterricht,
Mittagsschlaf und Hausaufgabenbetreuung. Ihre Mutter durfte sie nur alle drei
Wochen sonntags besuchen. Natürlich fühlte sie sich sehr einsam und hatte
Sehnsucht nach zu Hause, daher verkroch sie sich in der Bibliothek und
entdeckte die Bücher.
Lamia Mekhael-Maksso kommt aus dem Irak und lebt seit 17 Jahren in Deutschland
und ist mit einem Syrer verheiratet. Sie ist aufgewachsen in der wunderschönen
Stadt Bagdad, wo sie Maschinenbau studiert hat. Ein Französischkurs während des
Studiums öffnete ihr die Welt der Musik und des Theaters. Eigentlich wollte sie
ins Kloster gehen, da sie sehr gläubig ist. Doch das Schicksal brachte ihr die
Begegnung mit einem Syrer, der ihr Mann wurde. Beide stellten einen
Ausreiseantrag in Amman und siedelten um nach Deutschland.
Inge Marie Richter hat aus Liebe zu einem Mann ihre Heimat Dänemark verlassen.
Sie ist mit acht Geschwistern auf einem Bauernhof in Jütland aufgewachsen. Ohne
technische Hilfsmittel war das Leben recht beschwerlich. Doch trotz der vielen
Arbeit war die Mutter stets fröhlich, wozu ihr auch der Glaube verhalf. Jahre
später konnte sich die Familie ein Auto leisten, mit dem sie in den
Sommerferien an die Nordsee fuhr. Nach ihrem Studium lebte sie als
Au-pair-Mädchen ein Jahr in Frankreich bei einer Familie und lernte so
fließend Französisch. Zu ihrer jüngeren Schwester hatte sie eine enge Beziehung
und fuhr mit ihr zu christlichen Konferenzen nach Norwegen. Als sie heiratete,
fand sie sich damit ab, dass sie wohl allein leben würde. Doch bald darauf
lernte sie einen Witwer mit vier Kindern kennen, mit dem sie heute verheiratet ist.
Die Geschichten dieser fünf Frauen haben die Zuhörer tief berührt, weil sie
sehr persönliche Ereignisse preisgaben und alle nahmen Anteil an ihrem
Schicksal und dem Verlust der Heimat. So warten wir gespannt darauf, dass
das Buch "Übergestern" erscheint. Herr Thomas sagt ein herzliches Dankeschön
an Frau Klein-Esselborn, die sich geduldig und engagiert dafür eingesetzt hat,
dass die Geschichten gedruckt werden.
Unser nächster Literatur-Abend findet statt am
28. Mai 2014 um 19.30 Uhr im KUHtelier
über Bertolt Brecht
Renate Gasser