Karbener LiteraturTreff e.V.
Thema: Länder in der Literatur - Frankreich
Ort: Gaststätte "Bei Anna"
Zeit: 19.30 - 21.50 Uhr
Anwesende: 28 Personen und Herr Hofmann, Journalist der WZ
Dem Thema entsprechend begrüßt Herr Thomas die Anwesenden en francais und
gibt einen kurzen Überblick über die französische Literaturgeschichte.
Mit insgesamt 14 Nobelpreisen für Literatur hat Frankreich hier die meisten
ausgezeichneten Autoren aufzuweisen. Viele Werke sind seit 1901 mit dem höchsten
französischen Preis "Prix Goncourt" ausgezeichnet worden.
Robert Axt beginnt mit Jean-Jacques Rousseau (1712 Gnf - 1778 Ermenonville).
Er erlebte eine unglückliche Kindheit und blieb ohne systematische Ausbildung.
Vor der Rohheit seiner Lehrherren flüchtete er aus Genf. Madame des Warens
beeinflusste ihn stark und veranlasste ihn zum Studium moralphilosophischer und
naturrechtlicher Literatur. Der preisgekrönte "Discours sur les sciences et les arts"
machte ihn mit einem Schlag berühmt. Er schrieb verschiedene sozialkritische
Schriften und war Gründer des europäischen Sozialismus. "Emile où de l'éducation"
behandelt die fiktive Erziehung eines Kindes. Seine Biografie "Les confessions"
entstand größtenteils in England. Rousseau war Autodidakt und entwickelte
bahnbrechende sozialistische Ideen.
Renate Gasser referiert über Charles Baudelaire (1821 Paris - 1867 Paris).
Baudelaire wuchs unter einem autoritären Stiefvater auf und entwickelte sich zu
einem schwierigen, depressiven Jungen. Von den Eltern zur Diplomatenlaufbahn
gezwungen, entwischte er immer wieder in die Pariser Künstlerszene, weil er
Schriftsteller werden wollte. Sein Leben war überschattet von mäßigem Erfolg
und vielen Schulden, was ihn in die Depression trieb. Erleichterung verschaffte
er sich mit Rauschgift und Alkoholkonsum. "Les fleurs du mal" sind seine
berühmtesten Gedichte. Gedichte in Prosaform wurden posthum im "Spleen de Paris"
veröffentlicht. Seine Lyrik ist bestimmt von Desillusion, Melancholie und
Pessimismus, dennoch gilt Baudelaire als einer der größten französischen Lyriker.
Muriel Menzel widmet sich Emile Zola (1840 Paris - 1926 Paris).
Als Sohn eines italienischen Ingenieurs und einer französischen Mutter wuchs er
in Aix-en-Provence auf, war Literat und Journalist. Bekannt wurde er mit seinem
offenen Brief "J'accuse" zur Dreyfus-Affäre. Sein Hauptwerk, ein 20-teiliger
Romanzyklus "Die Rougon-Macquart", ist ein Zeitgemälde der französischen Gesellschaft.
In dem Band "Germinal" beschreibt er die unmenschlichen und unwürdigen
Lebensumstände der Bergarbeiter.
Frau Menzel liest Passagen aus diesem Roman, der das schwierige Leben des
Bergarbeiters Etienne schildert.
Herr Axt widmet sich Rainer Maria Rilke (1875 Prag - 1926 Valmont).
Rilke lebte von 1902 bis 1914 in Paris und arbeitete als Sekretär von Rodin.
Frankreich wurde seine zweite Heimat und so schrieb er vier Gedichtzyklen in
Französisch. Aus diesen Zyklen - Vergé -Walliser - Les roses - Les fenetres -
liest Herr Axt einige Gedichte vor. Aus dm einzigen Buch, "Die Aufzeichnungen
des Malte Laurids Brigge" liest er ein Textbeispiel über Paris vor.
Danielle Mattner berichtet über Jacques Prévert (1900 Neuilly-sur-Seine - 1977
im Departement Manche).
Mit 15 Jahren verließ er gelangweilt die Schule, nahm verschiedene Jobs an und
schloss sich einer Gruppe von Surrealisten an. Ab Mitte der 30er Jahre machte
er sich einen Namen als Drehbuchautor (z.B. Kinder des Olymp). 1946 publizierte
ein Freund Préverts Gedichte in einem Bändchen mit dem Titel "Paroles".
Der Erfolg war enorm und machte ihn zum einflussreichsten Lyriker des Jahrhunderts.
Viele seiner Gedichte wurde vertont, z.B. "Les feuilles mortes".
Frau Mattner trägt zwei Gedichte vor - Der schlechte Schüler und das Lied von den Schnecken.
Rosie Cordsen-Enslin beschäftigt sich mit Patrick Modiano (1945 in Boulogne-Billancourt).
Frau Enslin bezieht sich auf einen Artikel von M. Meister. Er spricht über Modianos
Werk von den Detektiven mit Gedächtnisschwund, blasse, konturlose Helden, Ton und
Stimmung wiegen schwerer als der Inhalt. Jedes Buch hat eine eigentümliche,
"modianesque" Struktur. Das Thema "Vater und Vaterschaft" ist für ihn von
zentraler Bedeutung, da er seinen Vater, jüdischer Abstammung, nicht kannte.
Ihn fasziniert die deutsche Besatzungszeit. So inspiriert ihn die Vermisstenanzeige
des jüdischen Mädchens Dora Bruder zu einem Buch. Modiano erforscht ihr Leben
und setzt es aus vielen Puzzleteilen zusammen. Mit seherischer Gabe lässt er
die Vergangenheit auferstehen. Er leidet unter den schwierigen Familienverhältnissen -
die Eltern leben getrennt in einem Haus. In dem Buch "Der Platz des Sterns" wollte
er alle Ankläger seines Vaters zum Schweigen bringen.
Mit 33 Jahren erhielt er den "Prix Goncourt".
Hans-Martin Thomas referiert über das Buch "Die Eleganz des Igels" von Muriel Barbery (1969 in Casablanca).
Sofort nach Erscheinen war dieses Buch ein Bestseller und auch übersetzt in 31 Sprachen.
Die gebildete Concierge Renée, die ihr Wissen vor aller Welt verbirgt, ein
altkluges Mädchen Paloma auf der Suche nach der Schönheit der Welt und ein
geheimnisvoller japanischer Geschäftsmann. Hinreißend komisch und zuweilen
bitterböse erzählen die beiden sympathischen Figuren von ihrem Leben in einem
eleganten Pariser Stadtpalais - eine großartige Gesellschaftssatire.
Robert Axt beschließt den Abend mit einigen französischen Liedern aus seiner Schulzeit.
Zu unserer Freude spielte Frau Beate Hoffarth drei Stücke auf ihrer Harfe.
Herr Thomas dankt allen Vortragenden und weist auf unser nächstes Treffen hin:
27. Mai 2011: Einfach zum Verlieben - Prosa und Lyrik zum Frühling
Renate Gasser