Karbener LiteraturTreff e.V.
Bericht vom 26.03.2015
Thema: " Lesung mit Peter Härtling "
Ort: KUHtelier
Zeit: 19.30 - 20.40 Uhr
Anwesende: ca. 80 Personen und Pressevertreter
Im dicht besetzten KUHtelier begrüßt Herr Thomas ganz herzlich unseren Ehrengast
Peter Härtling (geb. 1933) und die zahlreich erschienen Freunde des LiteraturTreffs.
Wir freuen uns sehr über das Kommen eines der populärsten deutschsprachigen
Autoren der Gegenwart.
Er hatte eine schwierige Kindheit, mit 13 Jahren war er Vollwaise, besuchte in
Nürtingen das Gymnasium, verließ es aber ohne Abschluss.
Nach seiner Arbeit als Redakteur, Cheflektor und Redenschreiber für die SPD
widmet er sich seit seinem 40. Lebensjahr der Schriftstellerei und hat seitdem
zahlreiche Kinderbücher, Romane, Gedichte, Essays und Aufsätze geschrieben.
Sein Werk wurde mit 20 Preisen ausgezeichnet und 15 Schulen wurden nach ihm benannt.
Herr von Leonhardi überbringt ein Grußwort der Stadt Karben und begrüßt sehr
herzlich unseren Ehrengast. Peter Härtling war auch Stadtschreiber in Bergen
und Mainz.
Die Themen Heimat und Fremde, die er in vielen Büchern verarbeitet
hat, sind auch für die Stadt Karben wichtig.
Peter Härtling liest aus seinem Buch "Liebste Fenchel!", eine Biografie der Fanny
Hensel-Mendelssohn in Etüden und Intermezzi. Fanny (1805 - 1847) wird als erstes
Kind von Lea und Abraham Mendels-sohn geboren. Es sind die großen schwarzen Augen,
die an dem kleinen, etwas schief gewachsenen Mädchen auffal-len. Zu ihrem vier
Jahre jüngeren Bruder Felix wird sie eine innige Beziehung ent-wickeln, wenn es
um Musik und Vertrauen geht. Auch ihre Oma Bella ist für Fanny eine wichtige
Bezugsperson, bei ihr verbrachte sie Nachmittage mit Lesen und Klavier spielen.
Sie wuchs in der hoch talentierten Musikerfamilie in Hamburg auf und erhielt
von ihrer Mutter den ersten Klavierunterricht. 1811 zog die Familie nach Berlin
in ein großes Adelshaus mit einem Gartenhaus, das Platz für 100 Gäste bot. Dort
fanden sonntags Konzerte statt, für die Fanny ihre selbst komponierten
Musikstücke vorspielte. Die jüdische Familie ließ sich 1816 evangelisch
taufen und dem Familiennamen wurde der Zusatz Bartholdy beigefügt.
Fanny verliebte sich in den Maler Wilhelm Hensel. Dieser wurde zunächst von
der Familie abgewiesen und er ging daher mit einem Stipendium nach Rom. Nach
zwei Jahren kehrte er zurück und hielt um die Hand Fannys an. Sie heirateten
und reisten wieder nach Rom. Dort begann eine glückliche Zeit für Fanny, sie
komponierte und gewann Anerkennung bei ihren Freunden. Gounod lobte ihre
Kompositionen, aber sie winkte nur bescheiden ab. Der Abschied von Rom fiel
ihr schwer. Wieder zurück in Berlin, ist Felix ein bekannter Musiker und Direktor
des Gewandhauses in Leipzig. Fanny übernahm die Leitung der Sonntagskonzerte.
Bei diesen Sonntagskonzerten traf sich die Elite der Berliner Gesellschaft und
die größten Virtuosen traten dort auf. Fanny begeisterte die Zuhörer mit ihrem
pianistischen Können. Bei der Vorbereitung eines großen Konzertes mit Chören
und der Einstudierung von Felix "Walpurgisnacht" bekam sie während einer Probe
keine Luft mehr. Sie verließ den Raum, kehrte wieder zurück, setzte sich ans
Klavier, sank vom Stuhl und verstarb ganz plötzlich. Sie wurde im Park
aufgebahrt, alle Freunde kamen zum Abschied. Felix eilte aus England herbei
und konnte den Tod seiner Schwester nicht fassen. Ihr zu Ehren komponierte er
ein Streichquartett. Er zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück und machte
Urlaub in der Schweiz. Nach mehreren Schlaganfällen starb er im gleichen Jahr
am 4. November und wurde neben seiner Schwester am 14. November 1847 beerdigt,
das war Fannys Geburtstag.
In dem anschließenden Gespräch erläutert Peter Härtling, dass ihn das Leben
der großen Familie Mendelssohn interessiert hat, das in zahlreichen Briefen
dokumentiert ist. Die schöpferische Kraft Fannys musste wegen der Konventionen
schweigen. Erst nach ihrem Tod wurden ihre Musikstücke veröffentlicht.
Jedes Buch ist ein Balanceakt zwischen historischem Hintergrund und poetischer Erfindung.
Seine dramatischen Kindheitserlebnisse und Kriegswirren hat er in Büchern
verarbeitet, die Erinnerung an seinen Vater berührt ihn noch immer sehr.
Die Frage nach seinen wichtigsten Erfahrungen in seinem Leben beantwortet er
mit der Erkenntnis, dass wir in einer Oase leben. Wir sollten vermeiden, dass
der Mensch zum Tier wird. Ideologien schaffen Idioten und die beste
Voraussetzung für ein friedliches Miteinander ist die Vernunft.
Nach einem langen Applaus bedankt sie Herr Thomas für den beeindruckenden
Abend.
Im Anschluss können noch Bücher bei Frau Edenfeld (Karbener Buchhandlung)
erworben werden, die Herr Härtling signiert.
Unser nächstes Treffen findet statt am:
30. April 2015 um 19:00 Uhr
im KUHtelier
OVAG-Preisträger präsentieren ihre Texte.
Renate Gasser