Literaturforum Karben e.V.
Bericht vom Literaturabend, am 02. März 2023:
"Literatur und Humor. Schmunzeln. Leichtes Lächeln, befreites Lachen"
Ort: KUHtelier im Schlosshof von Leonhardi, Groß-Karben
Zeit: 19:30 - 22: 00 Uhr
Anwesende: ca. 60 Besucher
Dem Humor eine Presche, mit dem Literaturabend „Literatur und Humor. Schmunzeln,
leichtes Lächeln, befreites Lachen“ ist dem Literaturforum Karben ein stilvoller
Humorabend gelungen. Nach der Begrüßung der Besucher und der eingeladen Musikkünstler
Nicola Piesch und Dieter Wierz durch den ersten Vorsitzenden Dieter Körber, stellte
er fest, der Abend stehe ein wenig unter dem Motto: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“-
so seien die Zeiten eben, dass es ein „trotzdem“ brauche, um die Widrigkeiten der
Zeit zu meistern. Launig leitete er dann mit zwei heiteren Anekdoten über zum
Programm des Abends, das von den Musikkünstlern mit dem
Charlie Chaplin Song „Smile“ gestartet wurde.
Hans Kärcher stellte dann als ersten Literaten des Abends Thomas Bernhard, den
Grantler aus Österreich mit einer Szene vor aus. „Auslöschung - Ein Zerfall“.
Dieses Werk ist 1986 als Thomas Bernhards letzte Prosaarbeit erschienen und eine
monumentale Abrechnung mit Heimat, Familie und Gesellschaft der Nachkriegszeit.
Über dieses Prosawerk stellte Bernhard den Spruch: „Jedes Kapitel eine Weltanklage.
Und alles zusammen eine totale Weltrevolution bis zur totalen Auslöschung.“ Sein
Altersroman wurde von seinen Kritikern als Anti-Autobiographie charakterisiert.
In ihm zieht der Ich-Erzähler Franz-Joseph Murnau – der unschwer als alter-ego von
Thomas Bernhard zu erkennen ist – eine Art Lebensbilanz. Es ist die Geschichte
einer unfreiwilligen Heimkehr. Franz Josef Murau, der seit Jahrzehnten seine
Familie meidet und im Ausland lebt, muss zur Beerdigung seiner Eltern anreisen,
die bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Damit holt ihn eine Vergangenheit
ein, von der er glaubte, sie weit hinter sich gelassen zu haben. Für Murau folgt
ein furioser Kampf mit dem verhassten Erbe: Er geht "in den Wald der Kindheit hinein",
um in "einer entsetzlichen Konfrontation" mit den damaligen Schrecken "alles
auszulöschen", was ihn an seine Familie bindet. Besonders quält ihn die Verstrickung
seiner Eltern in die NS-Herrschaft und das Weiterwirken der katholisch-nationalsozialistischen
Mentalität auch nach Kriegsende. Verzweifelt versucht Murau die Wurzeln der Vergangenheit
aus seinem Leben, Denken und Fühlen herauszureißen. Dieser Roman ist voll von
tieftraurigen Abgründen, absurder Komik und beunruhigenden Hellsicht.
Die von Hans Kärcher gewählte Szene, schildert verschlüsselt ein Treffen Bernhards
mit seiner berühmten Dichterkollegin Ingeborg Bachmann in einem engen Alpental in der
Klause, wo sich Franz-Joseph Murnau einquartiert hatte und zum Schluss noch die
Hommage „…. In jeder Zeile, die sie schreibt, ist sie ganz, ist alles aus ihr.
Von Spadolini habe ich sehen und beobachten erst richtig gelernt, ….., von Maria hören.
Beide haben mich zu dem geschult, der ich jetzt bin“. Sie waren beide Österreicher
und haben beide Ende der 1968er Jahre in Rom gelebt, - wohl beide auf der Flucht
vor dem österreichischen Mief. Bachmann ist dort auch 1973 unter dramatischen
Umständen gestorben. Ingeborg Bachmann erscheint in dem Roman unter dem Pseudonym Maria,
und Thomas Bernhard schildert darin auf seine Art die offensichtlich etwas schrille
Art von Ingeborg Bachmanns Auftreten. Hans Kärcher, der sich dem Text mit trockenem
Humor widmete, war sich nicht sicher ob in diesem Text der Weltliteratur der Humor erkennbar sei.
Das von Nicola Piesch mit weichem Timbre gesungene „La vie en rose“ leitete über
zu Thomas Mann einem der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts, der 1929
für die "Buddenbrooks" den Nobelpreis für Literatur erhielt. Thomas Mann war seine
Einstufung nur als Meister der Ironie nicht unbedingt recht. In einem Rundfunkinterview sagte er:
„Ironie, wie mir scheint, ist der Kunstgeist, der dem Leser oder Lauscher ein
Lächeln, ein intellektuelles Lächeln möchte ich sagen, entlockt, während der Humor
das herzaufquellende Lachen zeitigt, das ich als Wirkung der Kunst persönlich höher
schätze und als Wirkung meiner eigenen Produktion mit mehr Freude begrüße als das
erasmische Lächeln, das durch die Ironie erzeugt wird.“
Helmut Regenfuß meinte, als Humorist ginge Thomas Mann ja wohl nicht durch,
aber in seinem Spätwerk, den „Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull“
gehe es noch am lustigsten zu. Helmut Regenfuß las mit gekonnt angepassten Tonlagen und komödiantischem
Elan die Passage der Musterung und köstlich, wie es Krull gelingt als „untauglich“
eingestuft zu werden und den Oberstabsarzt glauben zu lassen, dass er darüber furchtbar traurig wäre.
Als nächstes stellte Hans-Georg Schrey den Altmeister des Humors vor. Wilhelm Busch,
geboren am 15. April 1832 in Wiedensahl, gestorben am 9. Januar 1908 in Mechtshausen,
war einer der einflussreichsten humoristischen Dichter und Zeichner Deutschlands und
galt bei seinem Tod als „Klassiker des deutschen Humors“. Seine Geschichten sind ein
Spiegel seiner Zeit, also des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das Verhältnis zwischen
Kindern und der Gesellschaft der Erwachsenen wird in vielen Geschichten thematisiert.
Es wundert daher nicht, dass das Thema „Lehrer – Schüler“ nicht zu kurz kommt. Am
bekanntesten ist Lehrer Lämpel aus Max und Moritz. Der Erziehungsstil dieser Zeit
war extrem autoritär mit teilweise harten körperlichen Strafen. Diese Praxis wird
auch von Wilhelm Busch nicht infrage gestellt. Trotzdem finden wir eine Spanne
unterschiedlicher Typen von Lehrern.Hans Georg Schrey hat ja „seinen“ Wilhelm
Busch für alle Gelegenheiten im Kopf und so zitierte er unübertrefflich aus
„Plisch und Plum“. Ähnlich wie in Max und Moritz geht es hier um ein Brüderpaar
namens Paul und Peter, mit dem die Eltern nicht zurechtkommen. Der verzweifelte
Vater engagiert schließlich einen Hauslehrer, der die Jungen zu „braven“ Kindern
erziehen soll. Was dieser mit einer Haselrute genüsslich tat und Wilhelm Busch
findet das gut. Doch in „Abenteuer eines Junggesellen“ – Knopp-Trilogie, die
Hans Georg Schrey als zweites Beispiel vorstellte zeigt er
einen Lehrer, der schon modern anmutet. Eine wunderbare Vorwegnahme anti-autoritärer
Erziehung aus dem 19. Jahrhundert.
Zitat: „Das ist Debisch sein Prinzip:
Oberflächlich ist der Hieb.
Nur des Geistes Kraft allein
Schneidet in die Seele ein.“
Doch die Art und Weise, in der Wilhelm Busch diese Geschichte erzählt, lässt
vermuten, dass er von Rektor Debischs Erziehungsmethode wenig hielt.
Hans Georg Schrey stellte schlussendlich fest, dass die Lehrerschaft bei
Wilhelm Busch nicht gut wegkommt. Das sei umso erstaunlicher, als er selbst von
seinem Onkel, einem protestantischen Pfarrer, und zeitweise sein Pflegevater und
Erzieher, nach Kräften gefördert worden ist.
An einem Abend, der sich dem Humor in der Literatur widmet, konnte natürlich der
1890 geborene Kurt Tucholsky nicht fehlen. Er war ein deutscher Journalist und
Schriftsteller und zählt zu den bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik.
Er war Satiriker, Kabarettautor, Liedtexter, Romanautor, Lyriker und Kritiker.
Bereits 1929 war er ins Exil nach Schweden übersiedelt und nahm sich dort 1935
das Leben. Als politisch engagierter Journalist und zeitweiliger Mitherausgeber
der Wochenzeitschrift „Die Weltbühne“ erwies er sich als Gesellschaftskritiker
in der Tradition Heinrich Heines. Ein 1931 erschienenes Werk hatte den bezeichnenden
Titel: „Lerne lachen, ohne zu weinen“. Wie sehr das Lachen eine humane Antwort auf
den Schmerz sein konnte, wussten sowohl Tucholsky wie Heine.
Engagiert und mit spürbarer Begeisterung las Almut Rose den unter dem Pseudonym
Peter Panter in der Vossischen Zeitung am 23.01.1927 veröffentlichten Tucholsky Text:
„Man sollte mal heimlich mitstenographieren, was die Leute so reden.“
Almut Rose las sehr verständnisvoll – offensichtlich hatte sie ihre eigenen Erfahrungen
mit durcheinanderredenden Gesprächspartnern.
Das Chanson „Champs-Élysées“ geleitete uns nun in die Pause.
Viele waren noch ins
Gespräch vertieft, als sie mittels Glocke zurückgerufen wurden und mit Piafs berühmten Chanson
„Non, je ne regrette rien“ wurde der zweite Teil des Abends eingeleitet, der der der leichteren Muse.
Rosi Kärcher wendete sich jetzt der lyrischen Seite von Hans Magnus Enzensberger zu.
Er wurde, 1929 in Kaufbeuren als Sohn des Oberpostdirektors geboren, dann in Nürnberg
aufgewachsen, studierte Literaturwissenschaften und Philosophie an verschiedenen
Universitäten. Seinen beruflichen Einstieg fand er als Rundfunkredakteur beim
Süddeutschen Rundfunk. Er war ein eifriger Essayist und Gedichte-Schreiber.
Bereits 1957 veröffentlichte er seine erste Gedichtsammlung mit dem
Titel „die Verteidigung der Wölfe“.
In zahlreichen kulturellen und politischen Debatten zeigte sich sein besonderes
Gespür für Trends und Tendenzen was allgemein anerkannt wurde. Habermas stellte
einmal fest: „Er hat die Nase im Wind.“ Andere kritisierten ihn, weil er seine
politischen Ansichten häufig wechselte. Ende der 60-er Jahre sympathisierte er
mit der Apo, ließ sich aber von dieser Bewegung nicht vereinnahmen.
Bis ins hohe Alter war Enzensberger kreativ und aktiv. 2019 erschien sein letzter
Gedichtband, aus dem Rosi Kärcher eindringlich und mit hin und wieder angebrachtem
Schmunzeln zehn stimmig ausgewählte Gedichte vortrug. Er verstarb am 24. November 2022,
kurz nach seinem 93. Geburtstag. Seine Gedichte sind voller Neugierde und
Widerspruchsgeist – und reimen sich nicht. Er sagt: „Gedichte sind Gebrauchsgegenstände
nicht Geschenkartikel im engeren Sinne. Sie beschäftigen sich mit dem Tatsächlichen,
dem Wirklichen, den Problemen der Zeit und nicht mit der Frage, ob das nächste Gedicht
die Form einer sapphischen oder alkäischen Ode haben soll.“ Eines finde ich passt
besonders gut in der derzeitigen Situation mit lockdowns und Energiekrise und deshalb
sei es hier festgehalten:
Kleiner Abgesang auf die Mobilität
Es war kalt in Bogotà.
Alle Restaurants hatten Ruhetag
In Mindelheim an der Mindel.
Auf Fidji strömender Regen.
Helsinki war ausgebucht.
In Turin streikte die Müllabfuhr.
Überall Straßensperren
In Bujambara. Die Stille
Über den Dächern von Pécs
War der Panik nahe.
Noch am ehesten auszuhalten
War es unter dem Birnbaum
Zu Hause.
Bevor es in den folgenden Gedichten meist um Menschen ging, brach der Moderator
Dieter Körber noch rasch eine Lanze für ein kleines Tierchen. Mit hinterhältigem
Humor deklamierte er T. Odemanns Gedicht „Die Rächerin“. Geschichte einer Kirchenmaus,
die sich am Küster rächt, der Ihre Familie in Fallen fing, indem sie während seines
Orgelspiels auf den Tasten herumhüpft und ihn in die Finger beißt.- was großen Lacherfolg hatte.
Auch die von Claudia Weishäupl vorgetragenen Gedichte vom allbekannten Eugen Roth
wurden mit großem Beifall bedacht. Als erstes präsentierte sie sehr einfühlsam zwei
relativ unbekannte lyrische Gedichte und dann in wohlgewählter Reihenfolge humoristische
Gedichte aus seinen diversen Sammlungen.
Nach „Si tu vois ma mere“ präsentiert von den großartigen Musikern des Abends
Nicola Piesch und Dieter Wierz
stellte Barbara Metz einen großen Kabarettisten
und Spötter vor: Wolfgang Neuss, geboren 1923 verstorben 1989 gilt er bis heute
als einer der scharfzüngigsten Satiriker der deutschen Nachkriegszeit und
Schandschnauze der Nation. Barbara Metz las nun seinen Text: “Innere Führung-Kettenreaktion“.
Köstlich, wie sich der ursprüngliche Befehl des Oberst, dass die Männer sich das
seltene Schauspiel einer Sonnenfinsternis auf dem Kasernenhof ansehen sollen während
der Weitergabe über Adjutant, Hauptmann, Leutnant, Feldwebel, Unteroffizier bis zum
Gespräch unter den Soldaten bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Der skurrile Humor von Karl Valentin durfte natürlich auch nicht fehlen. Karl Valentin,
mit seinem bürgerlichem Namen Valentin Ludwig Fey, am 4. Juni 1882 in München geboren
und 1948 in Planegg gestorben, war ein deutscher Komiker, Volkssänger, Autor und
Filmproduzent. Er beeinflusste mit seinem Humor zahlreiche Künstler, darunter
Bertolt Brecht, Samuel Beckett, Loriot, und Gerhard Polt. Der Sprachvirtuose
Valentin ringt um Orientierung in Raum und Zeit, stellt prinzipielle Fragen.
Welche Bedeutung haben Wörter? Was kann man sagen, was nicht? Wie denken und verstehen wir die Welt.
Barbara Metz als Liesl Karstadt und Dieter Körber als Karl Valentin brillierten
mit dem Sketch „Vor Gericht“. Als Richter blieb Barbara Metz völlig ernst,
Dieter Körber „machte Maske“(er setzte einen Valentin-Hut auf) und steigerte sich
dann im wunderbaren Valentin-slang in den Nachbarschaftsstreit über die schönsten Blumen.
So wie der Einkauf beim Discounter nicht mehr das gesellschaftliche Ereignis eines
Einkaufes auf Wochenmarkt oder im Basar ist, so bleibt von der Erotik am Telefon
auch nur noch der reine Sex übrig. Barbara Metz fand noch eine Steigerung in Mattias Beltz´s
satirischem Text „Discountsex“. Matthias Beltz war ein deutscher Kabarettist und freier
Autor. Geboren: 31. Januar 1945, verstorben: 27. März 2002. Den kalkulierten Tabubruch hat
Matthias Beltz nie gescheut. Er galt als einer der bissigsten Vertreter des deutschen
Politkabaretts, als gnadenloser Moralist, als radikaler Querdenker, als unabhängige
Instanz im intellektuellen Leben der Bundesrepublik. Bundesweit bekannt wurde er mit
dem "Vorläufigen Frankfurter Fronttheater" und entdeckte die linke Alternativszene
als Gegenstand der Satire. Er schuf mit viel Lust am Spiel mit der Sprache seine
Programme, die er immer wieder auf die Bühne des Frankfurter "Tigerpalasts" brachte,
seiner künstlerischen Heimat.
Barbara Metz modulierte ihre Stimme so gekonnt, dass man tatsächlich meinte einen
Computer in der Warteschleife am Telefon zu hören. Und dann ihr Wutausbruch als an
Stelle des erwarteten Sexpartners alles wieder von vorne begann.
Das Publikum klatschte begeistert.
Mit dem durch Frank Sinatra bekannt gewordenen Spottlied auf das vornehme Getue
der gehobenen New Yorker Society „The Lady is a Tramp“ klang das Programm aus.
Dann bat der erste Vorsitzende Dieter Körber wie immer die Akteure auf die Bühne.
Mit Dank an die Mitwirkenden, die Musiker und die Besucher beschließt Dieter Körber
den Abend, der mit reichlichem Applaus eines sichtlich zufriedenen Publikums belohnt wurde.
Almut Rose