Literaturforum Karben e.V.


Bericht vom Literaturabend, am 24. Februar 2022:


"Humor in der Literatur und literarisches Kabarett."

Ort: KUHtelier im Schlosshof von Leonhardi, Groß-Karben
Zeit: 19:30 - 22: 30 Uhr
Anwesende: ca. 45 Besucher


Im trotz Graupelschauern voll besetzten KUHtelier begrüßte der Vorsitzende des Literaturforums Karben, Dieter Körber, die Besucher und die Musiker Nicola Piesch und Dieter Wierz. Dieter Körber, der den Abend organisiert und gestaltet hatte übernahm die Moderation und führte gekonnt durchs Programm.

Gerade in politisch so unerfreulichen Zeiten bewahrheite sich der Spruch: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht". Der Song "On the sunny side of the street" riss das Publikum auch sogleich mit.

Der "Orchesterdiener" des Schweizer Wort- und Stilkünstlers Hermann Burger tat ein Übriges, dass die Atmosphäre sich lockerte. Hermann Burger, geboren 1942, Privatdozent für deutsche Literatur an der ETH Zürich und Feuilletonredakteur beim Aargauer Tagblatt, war manisch-depressiv. Daher sein Suizid bereits in seinem 47. Lebensjahr. Barbara Metz las diese Satire, die sich als Bewerbungsschreiben tarnt, so sachlich, akzentuiert und überzeugend, dass sie die Zuhörer tatsächlich - wie im Untertitel des Abends versprochen - "vom leichten Lächeln zum befreiten Lachen" brachte. Hier eine kleine Kostprobe:
"Was Musikalität bedeutet, wie es in einem akustisch verwöhnten Resonanzgemüt zugeht, ist für mich schwer vorstellbar. Es muss sich um eine Mechanik handeln, ähnlich der Tastenmechanik im Piano. Herr Generalmusikdirektor. Ich bitte Sie demütiglichst, Herr Generalmusikdirektor, die von Ihnen präsidierte Kommission in der Richtung zu beeinflussen, dass man sich im Gremium geneigt zeigt, sich der Schrammschen Wenigkeit zu bedienen. Betrachten Sie meine Kandidatur wie den Antrag des anfängerhaftesten Volontärs eines leicht zu ersetzenden Tutti-Geigers um eine nichtige Ergänzung des Orchestermaterials, und vergessen Sie nicht, nach der Lektüre meines Bewerbungsschreibens die Hände zu waschen! Mit vorzüglicher Hochachtung, Schramm."

Hans Kärcher setzte ebenfalls ein Zeichen skurrilen Humors, wenn auch weniger clownesk. Er widmete sich dem österreichischen Grantler Thomas Bernhard. Ebenfalls ein außergewöhnliches Talent der Wortkunst. Ein unbequemer Dichter von Format. Sein letzter Roman "Auslöschung" wird nicht selten als sein "Opus magnum" bezeichnet. Alles, aber wirklich alles, was den umstrittenen Autor im Kern ausmacht, findet sich auf den 650 dicht bedruckten, absatzlosen Seiten. Mit seinem bekannt trockenen Humor las Hans Kärcher hieraus eine Schimpfrede auf den Doktortitel. Hier der Schluss: "……..Diese Zeugnis- und Titelsucht ist zwar in ganz Europa verbreitet, aber sie hat zweifellos in Deutschland und vor allem in Österreich einen Grad von Ungeheuerlichkeit und Groteske erreicht, der niederschmetternd ist. Erst neulich habe ich zu Gambetti gesagt, die Österreicher und die Deutschen schätzen nicht die Menschen, sondern nur die Titel und Zeugnisse, ja, sie gehen soweit, zu glauben, der Mensch entstehe erst in dem Augenblick, in welchem er ein Zeugnis erhalten oder einen Titel erlangt habe, vorher sei er gar kein Mensch."

Nun sang Nicola Piesch mit klangvoller Stimme "Non, je ne regrette rien", ein Lied, das untrennbar mit der unvergessenen Edith Piaf verbunden ist.

Der nächste Dichter im Programm war Sinasi Dikmen, den Rosie Cordsen-Enslin vorstellte. 1945 in der Türkei geboren, lebt er seit 1972 in Deutschland. 1997 gründete Sinasi Dikmen mit Ayse Aktay die KÄS - Kabarett und Änderungsschneiderei in Frankfurt in der Waldschmidtstr. 19. Rosie Cordsen-Enslin brachte das aufmerksame Publikum mit ihrem schwungvollen Vortrag der Satire "Kein Geburtstag, keine Integration" zum Lachen. In dieser Geschichte geht es um den Erzähler, den Autor selbst, der aus der Türkei kommt, aber in Deutschland (Alemanien) arbeitet. Er nimmt die Geburtstagseinladungen seiner deutschen Freunde überhaupt nicht mehr an, weil diese ihn ständig mit ihren Fragen nach seinem Geburtstagsdatum nerven. Seine deutschen Bekannten wollen ihn in ihre Gesellschaft voll integriert sehen. Solange er aber keinen Geburtstag feiert, scheitert dieser Integrationsversuch. Aber er weiß seinen Geburtstag wirklich nicht. Und diese Wahrheit kann er ihnen nicht sagen, weil sie nur Bekannte sind und keine wirklichen Freunde.

Mit Robert Gernhardt präsentierte Helmut Regenfuß einen weiteren Frankfurter Matador der Literatur. Als Mitbegründer der "Neuen Frankfurter Schule" revolutionierte der Schriftsteller und Zeichner Robert Gernhardt mit den Kollegen von "Pardon" und "Titanic" den deutschen Humor. Am Geburtstag Heinrich Heines, allerdings 140 Jahre später, 1937, in Tallinn (Reval) geboren starb er 2006 in seiner Wahlheimat Frankfurt/Main. "Der Schwank von Signor Matz" ist eine Parodie auf die Novellen des Boccaccio in seinem Dekameron und erzählt die Geschichte, wie der Frauenheld Conte Ugo di Ricasoli mit einer List die schöne Beatrice gewinnen will und wie er sie schließlich an einen buckligen Armbrustspanner verliert. - Mehr wird hier nicht verraten. Helmut Regenfuß gelang es todernst zu bleiben beim Vorlesen dieser delikaten Geschichte.

Nun noch einmal Geburtstag: Am Ende des ersten Teils sang Nicola Piesch einen Song von Friedrich Hollaender "Johnny, wenn Du Geburtstag hast" am Klavier Dieter Wierz.
Das Lied, mit dem Nicola Piesch nach der Pause schwungvoll den zweiten Teil des Abends einleitete war auch Programm: "Cabaret, Cabaret".

Sehr einfühlsam mit sichtlicher Begeisterung erzählte Rosi Kärcher von ihrer Begegnung mit dem Werk Kurt Schwitters, dem viel begabten Maler, Dichter, Raumkünstler und Werbegrafiker, der unter dem Kennwort Merz ein dadaistisches "Gesamtweltbild" entwickelte. Die Idee kam ihm beim Entstehen einer Collage. Er zerschnitt aus einer Anzeige das Wort Kommerz. Übrig blieb die Silbe -merz-. Sie gefiel ihm, reimten sich doch so schöne Wörter wie Scherz, Nerz Herz darauf, und es ist ein ähnlich sinnfrei wie Dada. Die Kunstrichtung Dada entstand 1916 in Zürich und gilt als eine künstlerische Reaktion auf die Erschütterungen des ersten Weltkrieges, auf die Zerstörung der bisher gültigen Werte und bürgerlichen Normen und eine sarkastische Kritik am traditionellen Kunstbetrieb. Schwitters wurde 1887 in Hannover geboren und wuchs als Einzelkind in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie auf. Über Norwegen floh er vor den Nazis nach England, wo er 1948 starb. Das Familiengrab befindet sich in Hannover und sein Nachlass im Sprengel-Museum ebendort. Rosie Kärcher las sehr eingängig einige Merzgedichte des Autors. Hier ein Beispiel von 1937

Wenn mir einer sagte Wenn mir einer sagte, Ein Freund hätte gesagt, Daß ein anderer Freund gesagt hätte, Ich hätte zu einem dritten Freunde gesagt, Daß ein vierter Freund gesagt hätte, Ein fünfter Freund hätte gesagt, Daß ein sechster Freund gesagt hätte, Ich sollte gesagt haben, Was ich nicht gesagt habe, So sage er hier getrost an alle Freunde, Ich hätte gesagt, Ich hätte nichts gesagt.

Mit seinem tiefgründigen Humor bildet Kurt Schwitters gleichsam den Übergang zum literarischen Kabarett, dessen bedeutenden Vertreter, Erich Kästner, Annette Wibowo vorstellte. Sie las mit hingebungsvoller Verve die Gedichte "Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn" und "Zeitgenossen haufenweise". Erich Kästners Bücher wurden von den Nazis verbrannt, er blieb in Deutschland, ging in die innere Emigration. Seine nach 1945 entstandenen Kinderbücher brachten ihm Weltruhm.

Selbstverständlich dufte auch der 1890 in Berlin geborene Kurt Tucholsky nicht fehlen. Als politisch nüchterner und analytischer Mensch erkannte Tucholsky die gefährlichen Umstände und die düsteren Zukunftsaussichten, die sich mit Hitler ihren Weg durch sein Vaterland ins Herz von Deutschland gruben. Das Kommende absehend, war Tucholsky bereits 1929 nach Schweden umgezogen. Er starb dort am 21. Dezember 1935 schwer krank, wohl durch eigene Hand. Sehr gekonnt setzte Almut Rose die Akzente in Tucholskys "Der Mensch" aus "Die Weltbühne" 1931. Mit einem aus dieser Zeit stammenden Lied stellten die Musiker dann die ewige Frage: "Kann denn Liebe Sünde sein"?

Der unsterbliche Karl Valentin war ein kategoriensprengendes Phänomen. Die Lust an einer sich überschlagenden Philosophie, die die Dinge um- und umwendet, bis sich ihr Sinn zu einem scheinbaren Unsinn, in Wirklichkeit aber zu einem skurrilen Neusinn verkehrt, hebt den harmlosen Klamauk in eine andere Qualitätsdimension. Barbara Metz und Dieter Körber lasen eindringlich mit ihrem komödiantischem Können zwei Dialoge von Karl Valentin: "Die verlegte Brille" und die richtige Sprechform von "Semmelnknödeln".

Der oft als leichter Spaßmacher verkannte Heinz Erhard löste ihn nach 1945 ab. Der Dichter und Unterhaltungskünstler passte in die Stimmung, sich nach den Kriegsschrecken unterhalten zu wollen. Claudia Weishäupl trug mit erkennbarer Hinwendung zu Heinz Erhardt, einige seiner Gedichte vor.
z. B.:
Die Made
Hinter eines Baumes Rinde
wohnt die Made mit dem Kinde.

Sie ist Witwe, denn der Gatte,
den sie hatte, fiel vom Blatte.
Diente so auf diese Weise
einer Ameise als Speise.

Eines Morgens sprach die Made:
"Liebes Kind, ich sehe grade,
drüben gibt es frischen Kohl,
den ich hol. So leb denn wohl!
Halt, noch eins! Denk, was geschah,
geh nicht aus, denk an Papa!"

Also sprach sie und entwich. -
Made junior aber schlich
hinterdrein; und das war schlecht!
Denn schon kam ein bunter Specht
und verschlang die kleine fade
Made ohne Gnade. Schade!

Hinter eines Baumes Rinde
ruft die Made nach dem Kinde ...


Einen oft eher besinnlichen Humor verkörpert Eugen Roth, den Herbert Schuch mit viel Einfühlungsvermögen vortrug.
Er zitierte aus: Haltung, Das Geld , Hoffnungen , Kleine Ursachen --- Den tagesaktuellen Bezug konnten sich die Zuhörer leicht selbst herstellen.





Zum Ausklang des Abends brachten Nicola Piesch und Dieter Wierz den Song "The Lady is a Tramp".

Dieter Körber bedankte sich bei den Mitwirkenden und den Besuchern, die sich mit starkem Applaus verabschiedeten.