Karbener LiteraturTreff e.V.



Bericht vom 22. Februar 2018
Helden und Antihelden



Ort: KUHtelier, Groß Karben, im Schlosshof von Leonhardi
Zeit: 19.00 - 21:45 Uhr
Anwesende: ca.40 Personen und Pressevertreter

Hans-Martin Thomas begrüßt die Gäste mit Heldenversen aus der Deutschlandreise von Heinrich Heine.

Renate Gasser moderiert den Abend und beginnt mit einer Übersicht über Heldentypen. Der klassische Held begegnet uns in der griechischen Mythologie. Er zeichnet sich aus durch besondere Kraft und Tapferkeit und wird in Heldensagen verherrlicht. Unsere moderne Gesellschaft wird durch Arbeit und Freizeit bestimmt, statt durch Ruhm und Opferbereitschaft. Die modernen Helden treten in fiktiven Filmwelten auf und heißen Rambo, Terminator oder Batman. Der Antiheld zeichnet sich aus durch Passivität und ist nicht in der Lage, seine Geschicke zu lenken.
Unsere erste Heldengeschichte wird von Theodor Fontane (1819-1898) in der Ballade "John Maynard" erzählt, vorgetragen wird sie von Barbara Metz, in Vertretung für die erkrankte Claudia Weishäupl. Fontane war zeitweise als Presseattaché in der preußischen Botschaft in London tätig. Dort erfuhr er von dem Brand auf einem Fährschiff. Der Steuermann John Maynard , so heißt er in der Ballade, brachte das Schiff an Land und rettete durch selbstloses Handeln alle Passagiere. Er selbst opferte sein Leben.


Von Dieter Körber hören wir von dem General Wallenstein, der im Dreißigjährigen mit seinen Truppen in der böhmischen Stadt Pilsen lagerte. Schiller (1759-1805) hat den berühmten General in seiner Dramen-Trilogie "Wallenstein" gewürdigt . Dieter Körber bringt uns die Wandlung vom erfolgreichen Feldherrn zum verachteten Heerführer nahe. Der "Prolog" von Wallensteins Lager gibt einen Einblick in Schillers Dichtersprache.

Mit Richard Krebs alias Jan Valtin (1905-1951) schildert uns Rosie Cordsen-Enslin einen Helden zwischen allen Fronten. Er war Agent der Komintern und der Gestapo, wandelte also zwischen einer sozialistischen und nationalsozialistischen Organisation. Nach dramatischen Verfolgungsjagden wurde er mehrfach inhaftiert. Immer wieder gelang es ihm, sich zu befreien und sogar nach Amerika auszureisen.



Ganz besonders tapfere Helden waren die Männer der Antarktisexpedition von Ernest Shackleton (1874-1922) und Frank Wild. Walter Enslin erzählt uns von der Endurance-Expedition, das Schiff wurde im Packeis zermahlen. Weitab jeglicher Zivilisation waren die Männer extremen Witterungsbedingungen ausgesetzt. Nur dem mutigen und selbstlosen Einsatz von Shackleton und Wild ist es zu verdanken, dass seine Mannschaft gerettet wurde. In einem kleinen Boot steuerte er mit sieben Leuten durch eisige Kälte und meterhohe Wellen und holte Hilfe. Erst nach drei Monaten kehrten sie zu den Eingeschlossenen zurück, um sie aus ihrer eisigen Unterkunft zu befreien.

Ingrid und Robert Axt berichten von zwei alten Frauen am Polarkreis, die verloren scheinen, sich aber nicht verloren geben. Als bei den Inuit eines Winters eine Hungersnot ausbrach und der Stamm sein Wohngebiet verlassen musste, wurden nach alter Sitte zwei alte Frauen zurückgelassen, da sie als unnütze Esser galten. Mit viel Lebenserfahrung und Wissen gelang es ihnen zu überleben. Velma Wallis (geb. 1960) hat das Buch "Zwei alte Frauen" geschrieben.

Auch von Antihelden wurde berichtet. Herman Melville (1819-1891) hat die Erzählung "Bartleby, der Schreiber" verfasst. Rosi Kärcher schildert uns diesen seltsamen Menschen, der heute sogar eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Bartleby war Kopist in einem Anwaltsbüro an der Wallstreet und reagierte auf die Anweisungen seines Chefs meist mit dem Satz "I would prefer not to….". Mit seiner Verweigerungshaltung rebellierte er gegen seinen Chef. Er landete schließlich im Gefängnis, wo er auch starb . "I would prefer not to…" ist noch heute an der Wallstreet ein geflügeltes Wort.
Die "Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk" von Jaroslav Hasek (1833-1923) schildern ebenfalls einen Antihelden. Dieter Körber, in Vertretung für den erkrankten Fritz Böhner, hat mit tschechischem Akzent einige Episoden meisterhaft vorgetragen. Der kaum kriegstaugliche Schwejk setzt sich durch sein nimmermüdes Mundwerk in jedes Fettnäpfchen, versteht es aber auch, aus jedem heraus zu hüpfen. Schwejk ist kein Systemkritiker, er ist vielmehr überraschend naiv, systemergeben. Schwejk ist weder Revolutionär noch Mitläufer, er ist der Antiheld an sich.

Der Abend wurde musikalisch begleitet mit wunderbarer Klaviermusik von Martina Riedel. Schwungvoll dargeboten hörten wir die bekannten Melodien "We are the champions" und "Music". Ebenso begeisterte uns "Stella del mattino" und "Symphonie" von Silbermond.






Mit einem Dank an alle Vortragenden verabschiedete Hans-Martin Thomas die Gäste.













Unser nächster literarischer Abend findet statt am
22. März 2018 mit dem Thema : Leidenschaftlicher Fanatismus in der Literatur
wie immer um 19:00 Uhr im KUHtelier

Renate Gasser