Karbener LiteraturTreff e.V.



Thema: Poesie des Orients
Ort: Gaststätte "Bei Anna"
Zeit: 19.30 - 22.00
Anwesende: 60+ . 50 Personen , Vertreter des Morland-Verlages, Journalist der fNP

Nach der Begrüßung durch Herrn Thomas übernimmt Herr Axt die Moderation, der diesen Abend auch vorbereitet hat. Wir erfahren, dass Poesie im Orient sehr beliebt ist, und wir beginnen mit den Ländern von Ost nach West.
Der erste Referent, Herr Pirwayssian, lebt seit 23 Jahren in Deutschland, hat in Hannover studiert und wohnt seit 12 Jahren mit seiner Familie in Karben. Er trägt uns Gedichte von den bekannten persischen Dichtern Hafis und Khayyam vor. Hafis (1320-1389) war der größte persische Lyriker und Koranlehrer. Seine Gedichte handeln von der Natur, Lebensfreude, Liebe und wenden sich gegen Heuchelei und religiöse Scheinheiligkeit.. Nach seinem Tod wurden die Gedichte in einem Diwan (Gedichtsammlung) zusammengefasst. Nachdem dieser Diwan 1812 ins Deutsche übersetzt war, hat er Goethe zu seinem west-östlichen Diwan inspiriert. Wir hören zwei Gedichte - Lebenswasser und Leicht ist die Liebe. Omar Khayyam (1048-1131) war ein persischer Mathematiker, Astronom, Philosoph und Dichter. Erst nach seinem Tod wurde er bekannt mit seinen vierzeiligen Aphorismen, Rubayyat genannt. Der Tenor seiner Sinnsprüche ist skeptisch bis kritisch, auch dem Koran gegenüber. Seine Themen sind Freundschaft, Liebe und Vergänglichkeit. Die erste Übersetzung dieser Aphorismen erschien um 1850 in England, in Deutschland erst gegen Ende des 19. Jh. Wir hören einige Beispiele auf deutsch und persisch, gefolgt von klassischer Musik aus Persien von einer CD. Der dritte Dichter, den uns Herr Pirwayssian vorstellt, heißt Ahmad Schamlou (1925 - 2000). Er war Dichter, Schriftsteller, Übersetzer und linksorientierter Intellektueller. Wiederholt wurde er inhaftiert und seine Werke wurden verboten oder sogar verbrannt. Eine kurze Zeit (1989-1992) lebte er in Deutschland und den USA, kehrte aber wieder zurück nach Persien, da er dort wieder publizieren durfte. Wir hören die Gedichte Nebel (über der Wüste), Nacht und Gemeinsames Leid.
Frau Kocak kommt aus der Türkei, wohnt seit 21 Jahren in Karben und ist Vorsitzende des Frauenvorstandes der DITIB (Türkisch-Islamische Gemeinde) in Karben. Sie erzählt uns die Geschichte des Propheten Yunus (Jonas). Er sollte die Bewohner der Stadt Ninive warnen vor ihrem Untergang durch Stolz und Hochmut. Er tat dies aber nicht und floh auf einem Schiff vor den Einwohnern. Das Schiff drohte bei schwerem Seegang zu kentern, worauf die Seeleute den Propheten als Schuldigen ausdeuteten und ihn ins Meer warfen. Aber er überlebte im Bauch eines großen Fisches.
Frau Ata aus der Türkei lebt seit 21 Jahren in Deutschland. Sie stellt uns Mevlana Celaleddin Rumi (1207-1273) vor, der in Afghanistan geboren und in Konya (Zentralanatolien) gestorben ist. Er ist der Begründer der Sufi-Ordensgemeinschaft der "Mevlevis", bekannt auch als Derwische. Rumi ist einer der größten islamischen Mystiker und Dichter. Seine Lehre ist, dass die Liebe die Hauptkraft des Universums sei. Von seinen sieben Ratschlägen für das Leben seien nur zwei genannt: Sei wie ein Leichnam bei Zorn und Giftigkeit. Achte auf das Leben. Das Gestern ist ein Traum, das Morgen eine Vision. Achte auf das Heute!
Imam Eren, seit sechs Jahren in Karben, berichtet über den türkischen Dichter Mehmet Akif Ersoy (1873-1936). Er hat den Text zur türkischen Nationalhymne geschrieben und verfasste viele volkstümliche Gedichte. Alltagssprache und poetische Sprache fließen ineinander. Auf Türkisch und Deutsch hören wir das Gedicht Bayram. Das Fest schenkt den Menschen Freude und Hoffnung und weckt Erinnerungen an Kindertage.
Herr Toma kam 1985 aus Syrien zum Studium nach Deutschland. Er macht uns bekannt mit Khalil Gibran (1883-1931), der in Amerika und im Libanon lebte. Er war Maler, Philosoph und Dichter. Sein bekanntestes Werk Der Prophet wurde schon 1925 ins Deutsche übersetzt. Er sucht die Versöhnung zwischen der westlichen und arabischen Welt und stellt die Frage nach der Grenze zwischen Gut und Böse. In seinem Buch spricht der Bach mit dem Baum: Nicht das, was der Mensch tut oder besitzt, macht ihn edel, nur die Reinheit und das Licht des Herzens machen ihn edelmütig.
Herr Özdemir kommt auch aus der Türkei . Seit 33 Jahren lebt er in Deutschland und war lange Zeit Türkischlehrer an verschiedenen Schulen. Er stellt uns den türkischen Nationaldichter Nazim Hikmet (1902-1963) vor. Er ist ein Wanderer zwischen Russland und der Türkei, wurde mehrmals inhaftiert, weil er für die illegale KP tätig war und revolutionäre Gedichtbände schrieb. Ab 1951 lebte er in Russland. Seine Themen entstammen dem türkischen Alltag und viele seiner Verse wurden sprichwörtlich. Herr Özdemir rezitiert drei Gedichte, die die Explosion einer Atombombe thematisieren: Sehnsucht, Hoffnung, Frieden.
Umrahmt wurde das Programm von melancholischen türkischen Volksliedern, die Herr Özdemir und seine Tochter zur "SAZ" gesungen haben. Die SAZ ist eine türkische Langhalslaute, die übrigens dieses Jahr in Berlin zum Instrument des Jahres ernannt wurde.

Mit einem herzlichen Dankeschön an alle Vortragenden verabschieden sich Herr Axt und Herr Thomas von den Gästen.
Unser nächstes Treffen findet statt am Mittwoch, dem 27. März 2013 zu dem Thema:
Englische Literatur: Bloomsbury Group


Renate Gasser