Karbener LiteraturTreff e.V.



Thema: Theodor Fontane (1819-1898)
Ort: Gaststätte "Bei Anna"
Zeit: 19.30 - 22.00
Anwesende: 18 Personen und Frau Fauerbach von der Wetterauer Zeitung

Herr Thomas begrüßt die Gäste zum heutigen Abend, der einem einzelnen Schriftsteller gewidmet ist.
Herr Enslin beginnt mit einer detaillierten Darstellung der Lebensstationen des Dichters. Als Sohn eines Apothekers hugenottischer Abstammung verbringt er seine Kindheit in Neuruppin, seiner Geburtsstadt und teilweise in Swinemünde. Ausbildung zum Apothekergehilfe mit späterer Approbation als Apotheker. Beteiligung an der Märzrevolution 1848 in Berlin. Ab 1852 und 1855 arbeitete er insgesamt 5 Jahre als Zeitungskorrespondent in England. Im Auftrag einer Berliner Zeitung interessierte er das deutsche Publikum für englische Kultur. Fontanes dichterisches Werk, dem poetischen Realismus zugehörig, ist sehr vielschichtig: von Gedichten verschiedener Thematiken über Reisebücher (z. Bsp. Wanderungen durch die Mark Brandenburg), eins seiner ersten Hauptwerke! Im Auftrag von Presse und Berliner Druckereien veröffentlichte er Bücher über die Kriege 1864, 1866 und 1870/71. Aufgrund von negativen Erfahrungen (Verlust seines Neffen im französischen Krieg) zog er sich aus diesem Metier zurück. Es folgten dann Balladen (oft schottischer Historienbezug) und Romane u.a. Effie Briest, wodurch Fontane weltberühmt wurde. Sein letztes Werk "Der Stechlin" wurde von seiner Familie lektoriert und 1899 veröffentlicht.

Von Frau Czanki kam der interessante Hinweis, dass ihr Großvater mit Fontane bekannt war. Ihr Großvater hatte große Achtung vor Fontane und seiner Gattin gehabt, die beide sehr nette und aufgeschlossene Leute waren. Diese Eindrücke blieben unvergesslich.

Anschließend trägt Herr Enslin die Ballade "Die Brücke am Tay" vor, die vom Unglück durch den Einsturz einer Eisenbahnbrücke über den Fluss Tay in Schottland handelt. Ein Zug fiel dort, infolge Sturm und Einsturz der Brücke am 28.12.1879 in die Tiefe, 75 Menschen starben. Dass die Brücke bereits eineinhalb Jahre nach der Fertigstellung zerbrach, lässt am technischen Fortschrittswahn der Menschheit zweifeln. Nur durch Glück entging Königin Viktoria bei der Einweihung deshalb einer Katastrophe, denn die Brücke hielt damals.

Dann hören wir von Herrn Enslin das "Lied von James Monmouth", ein schottisches Bänkellied. Es handelt über die traurige Geschichtsepoche der königlichen Adelsfamilie der Stuarts im 17. Jhdt.
Mit Frau Axt wenden wir uns nun der Lyrik Fontanes zu. Sie trägt die Gedichte "O trübe diese Tage nicht", "Ja, das möchte ich noch erleben" und "Trost" vor. Frau Axt gefallen diese Gedichte besonders, da sie gut gereimt sind und Themen des Lebens unmittelbar wiederspiegeln wie "die Zeit nutzen und darauf hoffen, dass auf schlechte Tage immer auch gute folgen".
Herr Axt beschreibt die 3 Phasen des lyrischen Schaffens von Fontane. Zunächst werden aus der politischen Lyrik der Jahre vor der Märzrevolution 1848 die Gedichte "Berliner Republikaner", "Der Befriedigte", "Die Faust in der Tasche" und "Frühlingslieder" vorgetragen. Sie sind beseelt vom Freiheitsdrang und dem Wunsch nach Einheit der deutschen Lande. Es folgen 3 Gedichte aus seinem mittleren Lebensabschnitt: "Der Gast" (nach dem Tod seines Sohnes Peter Paul, 1853 geschrieben), "Die drei Raben" und "Resignation". Kennzeichnend ist hier eine gewisse Abgeklärtheit. Die letzte Phase, Fontanes Alterslyrik, ist durch die Hinwendung zum alltäglichen Zeitgeschehen und dem Unspektakulären bestimmt, manifestiert in den Gedichten "Würd es mir fehlen, würd ich's vermissen?", "Überlass es der Zeit", "Aber es bleibt auf dem alten Fleck".
Herr Axt trägt noch sein Lieblingsgedicht von Fontane vor "Im Garten", das von der ersten zarten Liebe zu handeln scheint, die letzte Strophe steht allerdings manchmal auch über Traueranzeigen! Es folgt die 4. Strophe des Gedichts "Unterwegs und wieder daheim", welches eindrucksvoll das Glück der Heimat beschreibt.
Mit erstaunlichem Gegenwartsbezug trägt Herr Axt noch das Gedicht "Das Trauerspiel von Afghanistan" vor, das die Vernichtung eines englischen Bataillons im Krieg in Afghanistan zum Thema hat, geschehen heute vor 165 Jahren!
Im Anschluss referiert Frau Enslin über den bekanntesten Roman Fontanes "Effie Briest". Beschrieben wird das Schicksal der 17-jährigen Effie, die auf Zureden ihrer Mutter einen doppelt so alten, reichen Baron heiratet. Vereinsamt in dieser Ehe geht sie eine flüchtige Liebschaft mit einem Offizier ein. Jahre später in Berlin, wo ihr Mann Karriere gemacht hat und Effie mit der Erziehung einer Tochter beschäftigt ist, erfährt der Baron durch alte Briefe von dem Seitensprung seiner Frau. Daraufhin tötet er den verflossenen Liebhaber im Duell und lässt sich scheiden. Gesellschaftlich geächtet von ihren Eltern und sogar der eigenen Tochter begeht die todunglückliche, kranke Effie Selbstmord. Der Roman gilt als ein Höhe- und Wendepunkt des poetischen Realismus ist zugleich Gesellschafts- wie auch ein Liebesroman, mit einer realen Begebenheit jener Zeit als Vorlage.
Herr Axt, dessen Interesse durch ein in Bad Nauheim ausgestelltes Jugendstilbild geweckt wurde, trägt Fontanes Ballade "Tom der Reimer" vor. Diese beruht auf einem altschottischen Elfenmärchen. Zum Abschluss wird noch eine Episode aus dem Krieg 1870/71 vorgestellt. Fontane hatte den Auftrag erhalten, ein weiteres Kriegsbuch zu schreiben und reiste deshalb nach Nancy, nahe der Frontlinie. Unweit von dort befindet sich der Geburtsort von Jeanne d'Arc. Fontane, den der historische Bezug eines Ortes oftmals mehr interessierte als seine landschaftliche Schönheit, fuhr dorthin und wurde, weil er sich hinter der Front in Feindesland befand, von zurückziehenden französischen Truppen gefangengenommen. Er wurde der Spionage beschuldigt, das hätte zum Tode durch Erschiessen führen können. Durch Fürsprache des preussischen Armeebischofs beim Erzbischof von Besancon und Aufklärung seiner wahren Mission als Journalist und Schriftsteller wurde er auch aufgrund von diplomatischem Einwirken seines alten "Journalistenkollegen" Bismarck aus der Gefangenschaft entlassen. Als er auf der Ile d'Oléron einen Monat in Gefangenschaft war, auf dem Weg dorthin, schrieb er in Gedanken an seine Heimat das Gedicht "O trübe diese Tage nicht", ein Gedicht, das eingangs unter anderem Vorzeichen eingeordnet worden war.
Abschließend erfreut uns Herr Enslin .mit einer schottischen Liebesballade: "The Old Ash Grove".