Karbener LiteraturTreff e.V.



Thema: Lateinamerikanische Literatur
Ort: Gaststätte "Bei Anna"
Zeit: 17.00 - 18.50 Uhr
Anwesende: 19 Teilnehmer

Herr Thomas begrüßt die Teilnehmer/innen und weist darauf hin, dass dies unser 11. Treffen ist.
Zur Einstimmung trägt das Ehepaar Enslin ein Lied von Atahualpa Yupanqui vor. Es beschreibt die harte Arbeit in einer Zuckermühle.
Danach berichtet Herr Enslin über das Leben von Atahualpa Yupanqui (1908-1992). Er wird als der wichtigste argentinische Folklore-Musiker des 20. Jh. gewertet. In Tucuman vebringt er seine Jugend. Beeinflusst durch seinen Vater, einem Indianer, studiert er die indigenen Kulturen und wendet sich der Musik zu , wobei sein Interesse von Bach bis zur Volksmusik reicht. Er tritt in die Kommunistische Partei ein. Während der Militärdiktatur wird er ständig belästigt und inhaftiert. Daher zieht er 1949 nach Europa und trifft in Paris auf Edith Piaf, die gemeinsam mit ihm auftritt. 1952 kehrt er nach Buenos Aires zurück und wird wegen seiner Kritik an der Kommunistischen Partei aus ihr ausgeschlossen. In den folgenden Jahren reist er durch die Welt und lässt sich schließlich in Nimes nieder, wo er 1992 stirbt.
Nach einer Zamba aus Argentinien , vorgetragen von dem Ehepaar Enslin, berichtet Frau Cordsen-Enslin über die chilenische Schriftstellerin Gabriela Mistral (1889 - 1957). Gabriela Mistral wächst in einer baskisch-indianischen Lehrerfamilie auf. Als sie drei Jahre alt ist, verlässt der Vater die Familie. Mit sechzehn Jahren arbeitet sie als Lehrerin und veröffentlicht ihre ersten Texte. 1909 nimmt sich ihr Geliebter R. Ureta das Leben. Sie verarbeitet das Erlebnis in ihrem Werk und erhält den Chilenischen Literaturpreis. Sie wird Direktorin an einer der renommiertesten Schulen für höhere Töchter. Zwischen 1922 und 1934 lebt sie im Ausland, wird Gastprofessorin an der Columbia University in New York und leitet ab 1933 das chilenische Konsulat in Madrid. Sie adoptiert ihren behinderten Neffen. In Brasilien lernt sie das Ehepaar Zweig kennen, mit dem sie eine enge Freundschaft verbindet. 1942 nehmen sich die Zweigs das Leben, im folgenden Jahr ihr Adoptivsohn. 1945 erhält sie den Nobelpreis für Literatur. In den letzten Jahren erkrankt sie an Krebs und stirbt 1957 in ihrem Haus in New York. G. Mistral gilt als gläubige, aber rebellische Katholikin, die die Freiheitskämpfer Lateinamerikas verehrte.
Im Anschluss referiert Frau Mainert über das Buch "Die bewohnte Frau" von Gioconda Belli. Gioconda Belli wurde 1948 in Managua geboren und ist eine der international bekanntesten nicaraguanischen Schriftstellerinnen. Sie studiert Kommunikationswissenschaften und schließt sich 1970 der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront an gegen die Diktatur der Somoza-Familie. In ihrem Buch "Die bewohnte Frau" werden biografische Aspekte verarbeitet. Lavinia, eine junge unabhängige Architektin aus wohlhabendem Haus, verliebt sich in einen Widerstandskämpfer namens Felipe. Aus Liebe zu ihm schließt sie sich der Widerstandsbewegung an und folgt deren politischen Ideen. Ziel der Bewegung ist ein Überfall auf die Villa des Generals Vela und dessen Ermordung. Danach soll die Befreiung der politischen Gefangenen erfolgen. Der Orangenbaum vor Lavinias Haus wird ‚bewohnt' von einer mystischen Seele, die schon vor hunderten Jahren den Aufstand gegen die spanischen Unterdrücker erlebt hat und symbolisiert so das wiederkehrende Streben nach Unabhängigkeit und Gerechtigkeit.
Zuletzt berichtet Herr Axt über den nicaraguanischen Schriftsteller Ernesto Cardenal ( geb. 1925 ). Er ist Sohn einer reichen Patrizierfamilie, studiert Literatur. 1954 beteiligt er sich an der Revolution gegen den Diktator Somoza, bei der viele seiner Freunde getötet werden. Danach tritt er in das Kloster Gethsemani ein, studiert katholische Theologie und wird 1965 zum Priester geweiht. Auf der Solentiname-Insel gründet er eine klosterähnliche Gemeinschaft und schreibt ein Buch. Nach dem Sturz von Somoza wird er Kulturminister der neuen sandinistischen Regierung. Wegen seiner Verbindung zur sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) wird er 1985 von Papst Johannes Paul II. von seinem Priesteramt suspendiert. 1994 verlässt er die FSLN aus Protest gegen den autoritären Führungsstil von Ortega. Heute, 85-jährig, reist er durch die Welt mit Lesungen aus seinen Büchern. So beeindruckte er mit seinem Auftritt in Lich unter dem Motto "Den Himmel berühren".
Zum Ausklang hören wir noch eine musikalische Darbietung des Ehepaars Enslin.
Herr Thomas dankt allen Aktiven für ihr Engagement und die informativen Beiträge.

Literaturtipps:
Gabriela Mistral: Liebesgedichte und andere Lyrik, Lamuv Verl.
Gioconda Belli: Bewohnte Frau, dtv
Gioconda Belli: Die Verteidigung des Glücks (Autobiographie), dtv
Ernesto Cardenal: Das Evangelium der Bauern von Solentiname

Renate Gasser

Nachtrag:
Es wurde vereinbart, dass die nächste Gesprächsrunde nicht am 30., wegen 1. Mai etc., sondern schon am Freitag, 23.4. stattfinden soll. Thema: "Frühlingserwachen" An diesem Termin wird es keine feste Agenda geben, jede(r) hat vielmehr die Gelegenheit, seine/ihre Favoriten aus Lyrik, Kurzgeschichte, Balladen oder Prosa aus Belletristik hier vorzutragen. Ich werde dazu auch noch zeitnah erinnern/einladen. (H.-M. Thomas)