Literaturforum Karben e.V.
Bericht vom Literaturabend, am 26. Januar 2023:
"Der zeitlose William Shakespeare. Er brachte die Welt auf seine Bühne."
Ort: KUHtelier im Schlosshof von Leonhardi, Groß-Karben
Zeit: 19:30 - 22: 00 Uhr
Anwesende: ca. 70 Besucher
„Der zeitlose William Shakespeare. Er brachte die Welt auf seine Bühne.“
Mit einem furiosen Literaturabend startete das Literaturforum Karben ins neue Jahresprogramm.
Im vollbesetzten KUHtelier – inclusive Notsitze- erlebten die Besucher einen dem
Literatur-Genius William Shakespeare gewidmeten Leseabend mit musikalischer
Begleitung auf hohem Niveau. Nach der Begrüßung der Besucher stellte der erste
Vorsitzende Dieter Körber Elke Lange-Helfrich, Gesang und Jörg Wagner, Laute vor,
die den Abend wunderbar mit harmonisch sich dem Thema anschmiegenden Madrigalen
von John Dowland (1563-1626) untermalten.
Danach übernahm Helmut Regenfuß, der den Abend organisiert und gestaltet hatte,
die Moderation und führte souverän durchs Programm. In seiner umfassenden Einführung
ging Helmut Regenfuß besonders darauf ein, dass William Shakespeare sein Handwerk
von der Pike auf als umherwandernder Schauspieler gelernt hatte und daher genau
wusste, wie er sein Publikum und dann auch seine Leser zum Lachen und zum Weinen
bringen konnte. Er sei wohl das größte dramatische Genie des Abendlandes und
nach über 400 Jahren immer noch der wohl meistgespielte Bühnenautor der Welt.
Die Figuren in seinen 36 Stücken seien Beispiele der grenzenlosen Entfaltung des Individuums.
Doch zunächst Musik. Jörg Wagner erzählt von Leben und Werk John Dowlands und
begleitet dann den wunderschön weichen Sopran Elke Lange-Helfrichs beim ersten
Song „Come again sweet love doth now invite“, der beim Publikum gut ankam.
Mit Anne Wibowos Vorstellung von Shakespeares Romeo und Julia, Mutter aller Liebesdramen,
begann der literarische Leseteil des Programms. Gekonnt wechselte sie von
erklärendem und berichtendem Vortrag zum wörtlichen Shakespeare Text. Die Handlung
des Stückes erzählt sie in lockerer unterhaltsamer Sprache. Einfühlsam gestaltet
sie die wörtlichen Dialoge. Das Drama, eines seiner frühesten Werke, ist
umgangssprachlich formuliert die Liebesgeschichte zweier Teenager. Diese tragische
Geschichte der Liebe zweier junger Leute aus verfeindeten Familien war im 16.Jahrhundert
als Erzählung im italienischen und französischen Sprachraum unterwegs, bevor
Shakespeare sie als Anregung für seine Tragödie übernahm.
Annette Wibowo meinte, nun sei es also Zeit für die italienischen Momente im Leben,
Sex – Lügen und Gewalt, - sie erwähnt ein Zitat aus dem Dialog am Ende der
Hochzeitsnacht „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche…“ Annette Wibowo
beendet ihren Vortrag mit dem schönen Satz: „…wahre Liebe findet sich immer nur
in der Ewigkeit. Im Alltag wäre die Geschichte von Romeo und Julia nicht so
einfach zu leben gewesen und so schenkt uns Shakespeare mit diesem Drama eine
Möglichkeit trotz aller Feindschaften und Fehden auch in der heutigen Zeit den
Glauben an die Liebe in Ewigkeit zu bewahren. Die wahre Liebe ist der immerwährende
Sieg der Hoffnung über die Realität. Und weil das einfach schön ist –
lassen Sie uns gemeinsam daran glauben“.
Damit die Trauer nicht um sich griff, stellte Rosie Cordsen-Enslin gleich im Anschluss
„Der Widerspenstigen Zähmung“ vor. Diese farbige Komödie aus dem Jahr 1592
ist ein typisches Beispiel, wie Shakespeare Motive bestehender Vorlagen kombinierte
um ein eigenes Werk zu gestalten.
• Die Rahmenhandlung um den betrunkenen Kesselflicker Sly, ist in zahlreichen
Balladen überliefert.
• Die Zähmung der kratzbürstigen Katharina durch
Petruchio beruht auf einem seit dem Mittelalter populären Motiv, das zum
männlichen Ergötzen in stets neuen Variationen immer wieder aufgegriffen
und durchgespielt wurde.
• Die Nebenhandlung um Bianca schließlich geht auf eine Komödie Ariosts
aus dem frühen 16.Jahrhundert zurück.
Aufgrund der, oberflächlich betrachtet, frauenfeindlichen Handlung gilt das Werk
seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und der beginnenden Frauenbewegung allgemein
als problematisch. Ungeachtet dessen ist die Theatergeschichte des Stücks bis in
die heutige Zeit eine Erfolgsgeschichte geblieben. Auch dank der unterschiedlichsten
Aktualisierungen, so beispielsweise als Musical „Kiss me, Kate“.
„Der Widerspenstigen Zähmung“ ist eine Männerfantasie, die ihren eigenen Anspruch
zugleich forsch vorträgt und subversiv untergräbt.
Mit dem Madrigal „Come away, come sweet love“ wurden die Besucher passend in die
Pause entlassen und „Fine Knacks for Ladies”- “Hübscher Kram für Damen”- lockte sie wieder herbei.
Barbara Metz widmete sich, mit den Sonetten, einem Teil von Shakespeares Werken,
der zwar weniger populär sein dürfte aber den Ruhm des Dichters als literarisches
Genie begründete. Shakespeare schrieb die Sonette vermutlich in den 1590er Jahren
während Zeiten, da die Theater wegen eines Ausbruchs der Pest geschlossen waren und
er seinem Hauptberuf als Bühnenautor nicht nachgehen konnte. Die vollständigen 154
Sonette wurden jedoch erst 1609 veröffentlicht. Sie erregen heute noch Bewunderung
wegen ihrer außergewöhnlichen Wortwahl und ihrer Weigerung sich als Liebesgedichte
in Sentimentalitäten zu ergehen. Seit der Veröffentlichung rätseln die Leser,
wer sich hinter den in den Gedichten angeschwärmten Personen verbirgt. Das
Sonett hat seinen Ursprung im 13. Jahrhundert in Italien und wird auf den Dichter
Francesco Petrarca zurückgeführt. In der Renaissance wurde das Sonett auch in
England zur beliebten Dichtungsform. Shakespeares Sonette, so wird oft geschrieben
und gesagt seien geheimnisvoll. Sie behandeln meist persönliche Themen und sind
mehrheitlich auf die Liebe bezogen, beispielsweise mit den Begriffen Schönheit,
Lust und Eifersucht. Die Sonette lassen sich in drei Themenfelder einteilen.
Die Sonette 1 bis 126 sind an einen jungen Mann (fair youth) gerichtet.
Die Sonette 127 bis 152 richten sich an eine mysteriöse "Dark Lady" (dunkle Dame). –
Die Sonette 153 und 154 sind auch bekannt als die Greek Sonnets (griechische Sonette).
Sonett 18 ist eines der bekanntesten der 154 Sonette Shakespeares. In dem Gedicht
vergleicht das lyrische Ich die angebetete Person mit einem Sommertag und feiert
ihre vertont worden, unter anderem über 150-mal ins Deutsche.
Nach dieser Einführung trug Barbara Metz mit ihrer dunklen wunderbar modulierenden
Stimme Sonett 18 auf Englisch und Deutsch, die übrigen auf Deutsch vor.
Und nun bringt Dieter Körber „Julius Cäsar“, das erste Römerdrama Shakespeares,
mit dem 1599 das neue Globe eröffnet wurde, auf die Bühne des KUHteliers.
Shakespeares Dichterkollegen grollten über die Aufführung von „Julius Cäsar“,
nicht zuletzt deswegen, weil das Stück aus der Feder eines Mannes stammte, der
nur „wenig Latein“ konnte. Sie sprachen von Shakespeare als dem Lümmel vom Land,
der sich anmaßte jetzt auch noch Römerdramen zu schreiben.
Das Drama „Julius Cäsar“ besticht durch seine schlichte Sprache. Es wirkt beinahe
so, als ob Shakespeare vermocht hätte den altrömischen Stil zu dem seinen zu machen.
Er setzt forensische Redekunst mit einem solchen Geschick ein, dass einige der
Ansprachen wie von einem klassischen Rhetoriker verfasst wirken. Julius Cäsar
ist eine Wende in Shakespeares Schaffen hier macht sich ein feineres Gespür für
Charaktere, für Motive und für Folgerichtigkeit bemerkbar. Das Gewicht liegt weniger
auf Ereignissen als auf der Persönlichkeit der Hauptfiguren. Shakespeare besaß die
Fähigkeit, sich in Menschen ganz verschiedener Wesensart, die sich in völlig
unterschiedlichen Stimmungslagen befinden, hineinzuversetzen. Die Handlung ist so
geschickt ausbalanciert, dass es unmöglich wird, zu einem sicheren Urteil über die
Personen zu gelangen, Lob oder Tadel zu verteilen.
Mit großem schauspielerischem Talent und fast völlig auswendig deklamierte
Dieter Körber diese meisterliche demagogische Totenrede, mit der Mark Anton die Bürger verführt.
Dafür erhielt er langanhaltenden begeisterten Applaus.
„Go chrystal tears“ leitet über zum letzten Beitrag der literarischen Lesung..
In der deutschen Dichtung ist Goethes Faust das prägnanteste und überzeugendste Individuum.
Hans Kärcher erklärte nun, warum es Im Werk Shakespeares Hamlet ist, der Prinz von Dänemark.
Shakespeare entnahm den historischen Hintergrund einer Historie aus dem 12.Jahrhundert
„Gesta Danorum“, den „Taten der Dänen“, veröffentlicht im 16.Jahrhundert in Paris,
natürlich in Latein. Darin erscheint ein Prinz „Ameleth“, der den Mord an seinem
Vater rächt. Mit seiner bekannten trockenen Art führte uns Hans Kärcher durch den
Stoff. Er begann mit der kürzesten Inhaltsangabe, den beiden Zitaten:
„Sein oder Nicht-Sein, das ist hier die Frage.“ Und „- Der Rest ist Schweigen!“
Und dann der Oberaufklärer Voltaire. Der fasste die Handlung des Hamlet etwas
abschätzig folgendermaßen zusammen:
„Hamlet verfällt im zweiten Akt dem Wahnsinn, und seine Mätresse – damit meint er
Ophelia – sie wird im dritten Akt auch wahnsinnig; der Prinz erschlägt den Vater
seiner Mätresse, unter dem Vorwand, er töte eine Ratte, die Heldin wirft sich
darauf in den Fluss. Ein Grab wird auf der Bühne ausgehoben, und die Totengräber
sagen allerhand Spitzfindigkeiten, wenn sie Schädel in den Händen halten; Hamlet
antwortet in gleich dummer Weise auf ihre hässlichen Gemeinheiten. In der
Zwischenzeit erobert ein anderer Schauspieler Polen; Hamlet, seine Mutter und
sein Stiefvater zechen auf der Bühne, Lieder werden am Tisch gesungen, es wird
gestritten, gekämpft und gemordet“ …
Soweit der Text von Voltaire – man sieht, es geht hoch her in dem Stück, und es
wird nicht nur gemordet, sondern auch besonders schön gestorben.
Da er das hier nicht vorführen könne, beschränke er sich auf die berühmten Monologe,
die er dann auch in seiner unnachahmlichen Art vorlas.
Mit „Clear or cloudy“ wurden die Besucher in die Gegenwart zurückgeholt,
die ja leider zurzeit eher cloudy ist und den Sommer noch so gar nicht erahnen lässt.
Dann bat der erste Vorsitzende Dieter Körber wie immer die Akteure auf die Bühne.
Die erste Vorstellung des Jahres 2023 war ein voller Erfolg und wurde mit großem Beifall belohnt.
Almut Rose