Karbener LiteraturTreff e.V.
Bericht vom 26. Januar 2017
Siegfried Lenz - Leben und Werk
Ort: KUHtelier, Groß Karben
Zeit: 19.05 - 21:30 Uhr
Anwesende: ca.45 Personen
Dieter Körber begrüßt die Gäste stellvertretend für Hans-Martin Thomas, der
leider erkrankt ist.
Die Vorbereitung des Abends und die Moderation hat
Fritz Böhner übernommen. Er stellt zunächst Leben und Werk des Dichters vor.
Siegfried Lenz wurde am 17.3.1926 in Lyck / Ostpreußen. geboren und wuchs bei
seiner Großmutter auf. 1943 wurde er zur Marine eingezogen, desertierte in
Dänemark vom Hilfskreuzer Hansa und kam auf seiner Flucht in Schleswig-Holstein
in britische Gefangenschaft. Er studierte dann in Hamburg Anglistik, Philosophie
und Literaturwissenschaften. Er brach das Studium ab und wurde Volontär bei der
Tageszeitung "Die Welt" und 1950/51 deren Redakteur. Siegfried Lenz starb am 7. Oktober 2014.
Lenz war Mitglied der Gruppe 47 und gehörte mit Böll und Grass zu den
wichtigsten Autoren der Nachkriegszeit. Er unterstützte die SPD und war
viele Jahre befreundet mit Helmut Schmidt. Seine Werke - 14 Romane und über
100 Erzählungen - zeichnen Gelassenheit und Humor aus ebenso wie seine Haltung,
die Menschen lieber zu verstehen als zu verurteilen. Genannt seien hier nur
"Deutschstunde" 1968, "Arnes Nachlass" 1999, "Fundbüro"
2003, "Die Maske" 2011.
Seine Werke wurden in 30 Sprachen übersetzt und hatten eine Gesamtauflage von
25 Millionen Exemplaren.
Fritz Böhner stellt zuerst den Roman "Deutschstunde" (1968) vor.
Thema dieses Romans ist unbedingter Gehorsam und blinde Pflichterfüllung,
hier bezogen auf die Hitlerzeit. Lenz verdeutlicht dies an der Auseinandersetzung
zwischen dem Dorfpolizisten Ole Jepsen und dem Maler Max Nansen. Siggi Jepsen
muss in einem Internat für straffällig gewordene Jugendliche einen Aufsatz
schreiben über "Die Freuden der Pflicht". Überwältigt von seinen Erinnerungen
schreibt Siggi, wie sein Vater das Berufsverbot gegen den Maler Max Nansen stur
durchsetzte, obwohl dieser sein Freund ist und ihm einmal das Leben gerettet hat.
In einem Dialog lesen uns Barbara Metz und Dieter Körber die Geschichte
"Herr und Frau S. in Erwartung ihrer Gäste" vor. Sie ist entnommen aus dem
Erzählband "Die Ferne ist nah genug". Herr und Frau Schaffer vereinbaren, dass
jeder einen Gast einladen soll, den der andere nicht kennt, der aber für das
eigene Leben sehr bedeutend war. Nach dem Besuch soll in ihrer Beziehung alles
beim Alten bleiben. Frau Schaffer hat ein Ehepaar eingeladen, während Herr
Schaffer nur einen Mann eingeladen hat. Es ist Julius Gassmann,
die ursprüngliche Identität von Henry Schaffer.
Auch das "Fundbüro" (2003) , vorgestellt von Heidi Walter, thematisiert die
Schicksale der einfachen Menschen. Drei Themen stehen im Mittelpunkt: die Sorge
um den Arbeitsplatz, die Angst vor Fremden und das Finden und Verlieren. Henry
Neff will keine Karriere machen, er arbeitet lieber in einem Fundbüro. Viele
kuriose Begebenheiten werden erzählt, so z.B. ein Messerwerfer hat seinen
Holzkasten mit drei Messern verloren. Als Beweis, dass er ihm gehört, schleudert
er die Messer haarscharf an Henry vorbei in die Tür.
Die musikalischen Untermalungen gestaltet Martina Riedel, die virtuos verschiedene
Stücke auf dem Klavier spielt, so auch den allen bekannten "Dritten Mann" zum Abschluss.
Erwähnt werden muss auch die lang anhaltende Freundschaft zwischen Lenz und
Helmut Schmidt. Fritz Böhner berichtet, dass die Freundschaft 1960 begann und 50
Jahre dauerte. Für Lenz waren drei Aspekte wichtig. Freundschaft bedeutete für
ihn Unterstützung eines Freundes, du bist nicht allein, du kannst dir bei ihm
Rat holen. Angst: Ein Zeitalter ohne Angst ist nicht möglich. Wenn Menschen
unter Angst leben, sind sie unfrei, deshalb muss die Politik den Zustand der
Angstlosigkeit erreichen. Frieden: Lenz sagte 1988, dass Literatur im Bereich
des Politischen erfolglos ist, dennoch kann sie unfriedlich sein für die Stimmen,
die nicht gehört werden.
Almut Rose stellt den Roman "Der Überläufer" vor. Lenz hat den Roman schon 1952
geschrieben, er wurde aber erst 2015 veröffentlicht .
Als Walter Proska, ein Obergrenadier der Wehrmacht, 1944 von einem Heimaturlaub
in Masuren zu seiner Einheit bei Kiew zurückkehren will , fällt er auf die
hübsche polnische Partisanin Wanda herein, die in seinem Zugabteil eine Bombe
hinterlegt . Diese explodiert aber nicht, sondern als der Zug durch die Sümpfe
bei Kiew fährt, geht eine Mine hoch. In dem herrschenden Chaos schließt er sich
einem versprengten Haufen deutscher Soldaten an, die zurück in die Heimat wollen.
Renate Gasser fasst die Novelle "Schweigeminute" zusammen. Lenz schildert die
Liebelei zwischen dem Abiturienten Christian und der Englischlehrerin Stella
Petersen. Leise und feinfühlig schreibt Lenz über die zarten Gefühle zwischen
dem Schüler und der Lehrerin. Freunde nahmen sie mit auf eine Segeltour, die
mit einem Unglück endete. Bei schwerer See krachte der Segler bei der Heimkehr
an die Hafenmole und schleuderte Stella von Bord. Wenige Tage später starb sie
an ihren schweren Kopfverletzungen.
Hans Kärcher liest die Geschichte "Ein teurer Spaß" aus dem Band "Der Geist der
Mirabelle". Fritjof Feddersen nimmt seinen selbst gebrannten Mirabellenschnaps
zum Karten spielen mit ins Gasthaus. In fröhlicher Runde sprechen die Männer
dem Alkohol zu und als gegen Mitternacht Fritjof fest auf den Tisch schlägt,
kracht das Tischbein. Sofort wird der Arzt gerufen, der mürrisch und
fachmännisch das Tischbein verbindet und dafür eine saftige Rechnung ausstellt.
Am nächsten Morgen fällt Fritjof seinen Mirabellenbaum im Garten. Jetzt kann
er keinen Schnaps mehr brennen.
Fritz Böhner berichtet noch über die Siegfried-Lenz-Stiftung, die erst 2014
gegründet wurde. Sie hat sich die schriftstellerische Aufarbeitung seines Werkes
zur Aufgabe gemacht . Alle zwei Jahre wird ein Preis vergeben in Höhe von 50 000 €.
Der erste Preisträger 2014 war der israelische Schriftsteller Amos Oz, 2016
ging der Preis an den englischen Erzähler Julian Barnes.
Mit einem herzlichen Dank an alle engagierten Aktiven beendet Dieter Körber den Abend.
Unser nächster literarischer Abend findet am
Donnerstag, 23. Februar 2017 um 19:00 Uhr im KUHtelier statt
zum Thema Kabarett und Literatur
Renate Gasser