Karbener LiteraturTreff e.V.



Bericht vom 28. Januar 2016


Thema: Kulinarisches in der Literatur
Ort: KUHtelier, Groß Karben
Zeit: 19.00 - 22:00 Uhr
Anwesende: 40 Personen


Nach der Begrüßung der Gäste durch Hans-Martin Thomas hören wir ein Tischlied von C.M. Bellmann, auf der Gitarre gespielt und gesungen von Walter Enslin.
Zunächst werden wir eingeladen zu einem Festmahl, nämlich zu dem "Gastmahl des Trimalchio" von P. Arbiter 14-66 n.Chr.), gelesen von Hans Kärcher. Trimalchio, ein Emporkömmling, lädt einfache Leute, Strafgefangene oder Arbeiter zu einem Festmahl ein. Es beginnt mit einer Waschung der Füße. Trimalchio selbst lässt sich in einer Sänfte zu Tisch bringen. Schließlich werden Leckereien aufgetragen, die raffiniert dekoriert sind. So wird z.B. eine Henne mit ausgebreiteten Flügeln auf Stroh sitzend hereingetragen. In dem Stroh suchen Diener nach Puteneiern .





Aus dem Decameron von Boccaccio (1313-1375) liest uns Dieter Körber die Novelle über die "Marchesa von Montferrato". Zehn Edelleute hatten sich in ein Landhaus in der Nähe von Florenz zurückgezogen. Jeder von ihnen sollte zur Unterhaltung eine Geschichte, eine Novelle, erzählen. So entstand ein großes Prosawerk, das als Meilenstein der Weltliteratur gilt. Der französische König hatte von der Tugend und Schönheit der Marchesa von Montferrato gehört. Da er wusste, dass ihr mutiger Gatte auf einem Kreuzzug war, wollte er ihr einen Besuch abstatten, denn er wollte sowieso in Genua einschiffen. Einige Wochen vorher kündigte er seinen Besuch an. Alles wurde vortrefflich vorbereitet. Da die Marchesa ahnte, dass der König sich ihr nähern wollte, tischte sie in den verschiedenen Speisegängen nur Hühnergerichte auf. Der König durchschaute ihre List und reiste empört ab.


Schon H. Heine (1797 - 1856) fuhr durch Europa und beurteilte die "Europäische und die englische Küche", vorgetragen von Hans Martin Thomas. In Italien träumt er von Makkaroni mit einer dicken Schicht Parmesankäse. Auch die deutsche Küche hat viele Vorteile, sie bietet köstliche Braten mit fein abgeschmeckten Soßen . In der holländischen Küche gibt es leckere Fischgerichte. In England jedoch ist das Gemüse naturbelassen wie die Damen. Das Roastbeef hat verschiedene Garzustände und ist, ebenso wie der Hammelbraten, nicht immer genießbar. Wir hören noch eine Szene zwischen Heine und seiner Mutter bei Tisch. Nach 13 Jahren kommt der Sohn mal wieder nach Hause zur Mutter, die ihn mit seinen Lieblingsspeisen verwöhnt. Natürlich stellt sie viele Fragen nach Heines Leben in Paris. Dieser möchte aber nur in Ruhe sein Essen genießen.


Ein guter Tropfen Wein gehört zu einem Festessen. So präsentiert uns Barbara Metz ein - allerdings recht makabres Gedicht - von Ch. Baudelaire (1821-1867) "Der Wein des Mörders". Es stammt aus dem Band "Fleurs du Mal". Wegen der erotischen Aussagen der Gedichte in diesem Band wurde Baudelaire angeklagt. In unserem Gedicht geht es um einen Mann, der seine Liebste in ein Brunnenloch gestoßen hat, weil er sie zu sehr liebte. Jetzt muss er seinen Schmerz mit Wein betäuben.






Hans-Kärcher berichtet über die vermittelnde Funktion der "Salbeimäuschen" und lässt uns davon kosten. In der Novelle "Das Fähnlein der sieben Aufrechten" von G. Keller (1819-1890) geht es um die Hochzeit des jüngsten Sohnes von dem armen Schneidermeister Hedinger mit der einzigen Tochter des reichen Zimmermanns Frymann. Diese Verbindung will der Zimmermann aber verhindern. Frau Hedinger lädt jedoch ihre zukünftige Schwiegertochter Hermine zum Kaffee ein und bietet dabei Salbeimäuschen an. Die schönsten Salbeimäuschen legt Hermine für Karl beiseite.






Manfred Mattner stellt C.F. von Rumohr (1785-1843) vor. Dieser eigenwillige, aber fleißige Mensch, der als Schriftsteller und Gastrosoph tätig war, hat seine eigene Theorie übers Kochen entwickelt. Er bevorzugte Produkte der Region und wollte die Frauen zum Kochen erziehen. Für die Erziehung zum Essen empfahl er, jede Gemütsbewegung beim Essen zu vermeiden, da die Organe sonst zu heftig reagieren.
"Die Madeleine-Episode" von Marcel Proust (1871 - 1922) hören wir von Dieter Körber. Proust litt schon als Kind unter Asthma, das sich im Laufe seines Lebens so verschlimmerte, dass er nur noch allein in einem abgedunkelten Raum leben konnte, weil er licht- und lärmempfindlich war. Dafür entwickelte sein Geist sehr lebendige Vorstellungen. So empfand er den Genuss von Madeleines in Tee getaucht und verband den Geschmack mit Erinnerungen und tiefenpsychologischen Betrachtungen.



Rosie Cordsen-Enslin berichtet über den Roman "Bittersüße Schokolade" von L. Esquivel (geb. 1950). Dieser berührende Liebesroman wurde in 30 Sprachen übersetzt und verfilmt. Tita, die jüngste der drei Töchter, muss lebenslang für ihre Mutter sorgen - so will es die mexikanische Tradition. Pedro verliebt sich unsterblich in Tita, darf sie aber nicht heiraten. Nur um in ihrer Nähe zu sein, heiratet er ihre Schwester Rosaura. Tita bewältigt ihre Emotionen, indem sie die Familie je nach Stimmung mit ihren Kochkünsten bezaubert .




Eine Schriftstellerin aus Frankfurt, Eva Demski (geb. 1944), stellt uns Fritz Böhner vor mit dem Thema "Lebensmittel". Eva Demski schildert skurrile Geschmacksrichtungen. So erzählt sie von rosa Zahnpasta als Brotaufstrich oder von Maggi als Seelenspeise. Maggi sei auch die Bildzeitung des Kulinarischen. Am 31. März werden wir Eva Demski im KUHtelier begrüßen. Zum Schluss dieses kulinarisch-literarischen Abends hören wir von Walter Enslin ein Muskatellerlied "Der liebste Buhle".
Mit einem herzlichen Dank an die Organisatorin und Moderatorin des Abends, Renate Gasser, und an alle Aktiven verabschiedet Hans-Martin Thomas die Gäste.



Wir treffen uns wieder am Donnerstag, 25. Februar 2016 um 19:00 Uhr im KUHtelier

zu einem Abend über Thomas Bernhard und Robert Walser


Renate Gasser