Karbener LiteraturTreff e.V.



Thema: Ein Abend mit Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Ort: Gaststätte "Bei Anna"
Zeit: 19.30 - 21.30 Uhr
Anwesende: 23 Personen und Herr Hofmann, Redakteur der WZ

Herr Thomas begrüßt die Gäste und berichtet, dass der Literatur Treff als Verein etabliert und Mitglied der ARGE in Karben ist. Als Verein können Sponsoren geworben werden, Mitgliederbeiträge erhoben werden und Veranstaltungen in größerem Rahmen geplant werden.
Der heutige Rilke-Abend wird gestaltet von Herrn Axt, dem Ehepaar Enslin und unserer Harfinistin Frau Hoffarth.
Herr Axt bezeichnet den Abend als Premierenabend im Verein, dazu passt ein Rilke-Abend, einem der besten Dichter der deutschen Literatur. Herr Axt beginnt mit der Prager Zeit. Rilke wurde am 4. Dezember 1875 in Prag als einziger Sohn einer wenig glücklichen Ehe geboren und auf den Namen René Maria getauft. Den Namen Rainer erhielt er von seiner späteren Freundin Lou. Er wuchs auf unter der militärisch strengen Erziehung seines Vaters und den künstlerischen Neigungen seiner Mutter, die ihm Mädchenkleider anzog und ihn verzärtelte. Schon in jungen Jahren begann er zu dichten, interessierte sich für Französisch und Russisch. Er veröffentlichte seine frühesten Gedichte in einem kleinen Band und fand Anerkennung und Bewunderung bei seinen Freunden. Herr Axt trägt Gedichte vor, die seine Heimatstadt Prag schildern : "Im alten Hause, Märchen von der Wolke, Heimatlied".

Herr Enslin widmet sich dem Kapitel Lou Andreas-Salomé und Rilke. 1896 ging Rilke nach München und studierte Philosophie. 1897 begegnete er Lou Andreas-Salomé, einer verheirateten Frau von 36 Jahren. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine ungewöhnliche Beziehung. Lou wurde 1861 in St. Petersburg geboren und starb 1937 in Göttingen. Sie war eine vielseitige Frau, sprach Französisch und Russisch, studierte Religionswissenschaften, Logik und Metaphysik. Krankheitsbedingt zog sie nach Rom, machte dort die Bekanntschaft mit den Philosophen Nietzsche und Reh. 1886 lernte sie Carl Andreas kennen und heiratete ihn ein Jahr später unter der Bedingung, dass sie sich unbeschränkt und frei bewegen kann. Nachdem sie sich kennengelernt hatten, verbrachten Rilke und Lou einen Sommer in Wolfrathshausen, danach folgte er ihr nach Berlin. Lou inspirierte Rilke mit russischen Dichtern wie Leo Tolstoi. Es folgten zahlreiche Reisen nach Russland, Italien, Finnland. 1901 trennte sie sich von Rilke und die leidenschaftliche Beziehung ging über in eine Brieffreundschaft. Ab 1911 schlug sie eine psychotherapeutische Laufbahn ein. Sie lernte Sigmund Freud und den Analytiker Adler kennen und gründete mit Freud eine Schule. Bis zu ihrem Tod 1937 hielt sie Vorträge. Diese ungewöhnlich starke und unabhängige Frau wurde bei uns erst in den 50-iger Jahren entdeckt. Die Nazis verwüsteten ihre Bibliothek, weil sie Freud-Anhängerin war und mit den Juden sympathisierte.
Frau Hoffarth erfreut uns nun mit einem Mozart-Menuett, gespielt auf ihrer Harfe.

Worpswede 1900 - 1901 Nach einer Russlandreise erhielt er eine Einladung in das Künstlerdorf Worpswede. 1901 heiratete er Clara Westhoff, mit der er eine Tochter hatte. Rilke war nicht oft mit seiner Familie zusammen, da er meist auf Reisen war. In Worpswede nahm er Auftragsarbeiten an, schrieb Gedichte über Landschaft und Maler, z.B. Mackensen und H. Vogeler. So entstand die Anthologie "Das Buch der Bilder" und "Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke". Frau Cordsen-Enslin beschäftigt sich mit Rilkes zahlreichen Briefen, die er zwischen 1903 und 1908 an Frank Xaver Kappus geschrieben hat. Anlass zu diesen Briefen waren Fragen und Nöte eines jungen Dichters. In diesen Briefen werden verschiedene Themen angesprochen, wie z. B. das Motiv der Einsamkeit, Empfindungen der Kindheit, Traurigkeit, Selbstzweifel. Rilke kritisiert Autoren, die Beziehungen nur aus der männlichen und nicht aus der menschlichen Sicht beurteilen.
Als musikalische Einlage hören wir ein Andante aus dem 18. Jh., gespielt von Frau Hoffarth auf der Harfe.
Herr Axt referiert über den Lebensabschnitt bei Rodin in Paris. Rilke war von 1905 - 1906 Sekretär von Rodin in Paris. Er war beeindruckt von den Arbeiten dieses großartigen Bildhauers, hielt es aber nicht länger als ein Jahr bei ihm aus, da Rilke zu freiheitsliebend war. Beeindruckt hat ihn die Skulptur "Mann mit der gebrochenen Nase", der er das gleichnamige Gedicht widmete. Auch das Gedicht "Archaischer Torso Apollos" entstand in dieser Zeit. Sein bekanntes Werk, Duineser Elegien, schrieb er auf Schloss Duino in Italien, dorthin hatte ihn die Fürstin von Taxis eingeladen. Alle Elegien besingen das Thema der Liebenden in schwermütiger Weise. Herr Axt liest einige Abschnitte aus den Elegien vor. Rilke stirbt am 26. Dezember 1926 in Valmont. Kurz vor seinem Tod schrieb er folgende Zeilen, die auf seinem Grabstein stehen: Rose, oh reiner Widerspruch, Lust, Niemandes Schlaf zu sein unter soviel Lidern.
Zum Schluss hören wir noch ein Musikstück von Frau Hoffarth.

Herr Thomas dankt allen Vortragenden für die hervorragende Aufbereitung des Leben und Werkes von Rilke. Dank auch an Frau Hoffarth für die klangvolle musikalische Begleitung.
Unser nächstes Treffen findet am Donnerstag, 24.2.2011 zum Thema Mundart statt.
Frau Brüning vom DAF informiert noch über die Lesung "Wortwandlerinnen" des Literaturclubs der Frauen aus aller Welt am Sonntag, 23.1.2011 um 11.00 Uhr im Jukuz.
Renate Gasser